Die Nationalsozialisten kamen 1933 an die Macht, 1939 begannen sie den Zweiten Weltkrieg. In den sechs Jahren dazwischen blieb es scheinbar friedlich in Europa. Hitlers Innen- und Außenpolitik bediente sich zunächst noch nicht-militärischer Mittel (auch wenn sie sich häufig der Androhung von Gewalt bediente), um ihre Ziele zu erreichen. Viele Menschen damals (vor allem außerhalb Deutschlands) hofften, es würde dabei bleiben. Hätten sie es besser wissen können? Hätte man damals schon erkennen können und müssen, dass Hitlers Politik, seine Weltsicht und seine Ziele zwangsläufig zu Krieg führen würden?
3.1 Ziele der NS-Politik
1. Deutschland und die "Schmach von Versailles"
Der Friedensvertrag von Versailles beendete den ersten Weltkrieg für Deutschland. Zahlreiche Probleme, welche die Pariser Vorortverträge und die Entstehung der neuen Nationalstaaten in Osteuropa mit sich brachten, konnten jedoch nicht gelöst werden. In Deutschland war die Erbitterung über einige Friedensbedingungen besonders groß. Vor allem die Gebietsabtretungen an Polen stießen in der deutschen Öffentlichkeit auf Unverständnis. Die Unzufriedenheit der Deutschen mit dem Friedensvertrag nutzten die Politiker der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) aus, um die Republik anzugreifen und die (gewaltsame) Revision der Nachkriegsordnung zu fordern.
Quelle
Adolf Hitler in seinem Buch "Mein Kampf"
Quelle
Adolf Hitler in seinem Buch "Mein Kampf"
Daß unsere Bewegung [die NSDAP] breitesten Massen die Kenntnis des Friedensvertrags vermittelte, war eine Voraussetzung zu dem Erfolg der Bewegung in der Zukunft. Damals [1920], als sie in diesem Frieden alle noch einen Erfolg der Demokratie sahen, mußte man dagegen Front machen und sich in den Gehirnen der Menschen für immer als Feind dieses Vertrages eingraben, auf daß später wenn einst die herbe Wirklichkeit dieses trügerische Flitterwerk ungeschminkt in seinem nackten Hasse enthüllen würde, die Erinnerung an unsere damalige Einstellung uns ihr Vertrauen erwürbe.
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Der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann über den Versailler Friedensvertrag
Quelle
Der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann über den Versailler Friedensvertrag
Welche Hand müßte nicht verdorren, die sich und uns in diese Fesseln legt?
Quelle
Der Sozialdemokrat Gustav Bauer über den Versailler Friedensvertrag
Quelle
Der Sozialdemokrat Gustav Bauer über den Versailler Friedensvertrag
Unterschreiben wir, das ist der Vorschlag, den ich ihnen im Namen des gesamten Kabinetts machen muß. [...] Die Gründe die uns zu diesem Vorschlag zwingen, sind die selben wie gestern, nur trennen uns jetzt eine Frist von knappen vier Stunden vor der Wiederaufnahme der Feindseligkeiten. Einen neuen Krieg können wir nicht verantworten, selbst wenn wir Waffen hätten.
Aufgabe
Der Versailler Vertrag
- Vergleiche die drei Quellen oben miteinander und gehe besonders auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei folgenden Punkten ein:
- Wie wird der Vertrag beurteilt?
- Wie soll man mit dem Vertrag umgehen?
- Untersuche die erste Quelle noch einmal genau und erläutere den Nutzen, den Hitler aus dem Versailler Vertrag für seine Politik ziehen will.
2. Die Revision der Nachkriegsordnung
1933 kamen die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht. Sofort begannen Sie mit der Revision des Vertrags. Erklärtes Ziel war die Wiedererlangung der nach dem Krieg verloren gegangenen Territorien. Mit der Wiedereingliederung des Saargebiets gelang es den Nationalsozialisten 1935 erstmals, ein Territorium "Heim ins Reich" zu holen. Weitere Gebiete sollten folgen. Diese Politik der "Revision von Versailles" stieß bei den meisten Deutschen auf große Zustimmung. Eine Erfolgsgeschichte?!
Galerie: Propaganda – Die Nationalsozialisten feiern ihre Politik
1936 ließ Hitler das entmilitarisierte Rheinland besetzten. Hierbei handelte es sich, im Gegensatz zu der Abstimmung im Saargebiet, um einen klaren Bruch des Versailler Vertrags. Da die Siegermächte des Ersten Weltkriegs jedoch nicht einschritten, konnte Hitler sich als Sieger fühlen.
Die staatliche Unabhängigkeit Österreichs vom Deutschen Reich war durch den Versailler Vertrag festgeschrieben. Deutschnationale Parteien und Verbände wollten sich damit jedoch nicht abfinden. Im März 1938 drohte Hitler Österreich mit dem Einmarsch der Wehrmacht und erzwang so den Anschluss. Ebenfalls mit Androhung von Gewalt erfolgte im September desselben Jahres im Rahmen des Münchener Abkommens der Anschluss des Sudetenlandes. Von Litauen wurde - wieder begleitet von militärischen Drohungen - die Abtretung des Memellandes im März 1939 erzwungen. Alle diese Gebietsgewinne wurden von der nationalsozialistischen Propaganda als großartige Erfolge einer neuen, forschen Außenpolitik gefeiert.
Galerie: Ergebnis der NS-Politik – Das Deutsche Reich wird größer.
Aufgabe
Propaganda
- Betrachte die Propagandafotos in der Galerie (Element 8) und schildere den Eindruck den diese Bilder auf dich machen.
- Erläutere die Mittel, mit denen auf den Fotos nationalsozialistische Außenpolitik dargestellt wird.
- Erkläre mit Hilfe der Karten in Galerie (Element 10), warum die Außenpolitik der Nationalsozialisten von vielen Deutschen unterstützt wurde.
3. Weltmachtfantasien
Die Pläne und Fantasien der Nationalsozialisten gingen jedoch weit über das Saargebiet, Österreich und die Tschechoslowakei hinaus. Die Welt bestand für sie nicht aus einer Vielzahl gleichberechtigter Staaten, sondern war ein Kampfplatz, auf dem nur einer Sieger und Weltherrscher sein konnte. Die 'Anschlüsse' 1938/39 waren für die Nationalsozialisten daher höchstens ein Etappenziel. Seit Beginn ihrer Machtübernahme bereiteten sie eine Neuordnung Europas und der Welt vor.
Weltsicht
Quelle
Hitler über den Frieden
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Hitler über den Frieden
Hinweis: Der Text ist ein Ausschnitt aus einer Rede, die Hitler im Mai 1933 als Regierungserklärung im deutschen Reichstag hielt.
Verträge, die zur Befriedung des Lebens der Völker untereinander abgeschlossen werden, haben nur dann einen inneren Sinn, wenn sie von einer wirklichen und aufrichtigen Gleichberechtigung aller ausgehen. [...] Daß aber die heute vorliegenden Probleme eine vernünftige und endgültige Lösung erfahren, liegt im Interesse aller. [...] Indem wir in grenzenloser Liebe und Treue an unserem Volkstum hängen, respektieren wir die nationalen Rechte auch der anderen Völker aus dieser selben Gesinnung heraus und möchten aus tiefinnerstem Herzen mit ihnen in Frieden und Freundschaft leben.
Quelle
Hitler über den Krieg
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Hitler über den Krieg
Hinweis: Der Text ist ein Ausschnitt aus einer Rede, die Hitler im August 1939 vor Wehrmachtsgenerälen hielt, um sie auf den bevorstehenden Angriff auf Polen vorzubereiten.
Wir müssen unser Herz verschließen und hart machen. Wer über diese Weltordnung nachgedacht hat, ist sich klar, daß ihr Sinn im kämpferischen Durchsetzen des Besten liegt. Das deutsche Volk aber gehört zu den besten Völkern der Erde. Uns hat die Vorsehung zu Führern dieses Volkes gemacht, wir haben damit die Aufgabe, dem deutschen Volke, das mit 140 Menschen auf den Quadratkilometer zusammengedrängt ist, den nötigen Lebensraum zu geben. Größte Härte kann bei Durchführung einer solchen Aufgabe größte Milde sein.
Aufgabe
Zwei Reden
- Vergleiche die beiden Redeausschnitte in den Quellenkästen oben.
- Erkläre die inhaltlichen Unterschiede zwischen den Reden, gehe dabei sowohl auf den Zeitpunkt der Rede als auch auf das Publikum ein.
Finanzen
Darstellung
Das bisschen Haushalt
Darstellung
Das bisschen Haushalt
Jedes Jahr wird in Deutschland ein Haushaltsgesetz verabschiedet und veröffentlicht. In diesem Gesetz sind alle Einnahmen und Ausgaben des Staates verzeichnet. Die Nazis veröffentlichten ab 1935 ihre Haushaltsgesetze nicht mehr. Auf diese Weise verschleierten sie die katastrophale Finanzsituation des Deutschen Reiches. Darüber hinaus führte Hjalmar Schacht, der Präsident der Reichsbank, die "Mefo-Wechsel" als faktisch zweite Währung neben der Reichsmark ein. Der Staat verschuldete sich damit massiv und gefährdete die Stabilität der Reichsmark.
Mefo-Wechsel: Schuldscheine, die der deutsche Staat als Zahlungsmittel für Investitionen ausstellte (benannt nach der Metallurgischen Forschungsgesellschaft m. b. H.). Das Deutsche Reich stellte ab 1933 unzählige solcher Wechsel aus, die wiederum wie eine Währung gehandelt werden konnten. Grundlage war, dass der Staat versprach, die Wechsel nach fünf Jahren in Reichsmark zurückzuzahlen. Dies wäre aber bei der Menge an ausgestellten Wechseln unmöglich gewesen.
Aber wofür gaben die Nationalsozialisten das viele Geld aus?
Der Versailler Vertrag reduzierte die Truppenstärke der Reichswehr auf 115.000 Mann und verbot bestimmte Waffen wie Panzer und Bomber. Nach der Machtübernahme wurde sofort mit einer massiven Aufrüstung begonnen. 1932 betrugen die Rüstungsausgaben des Deutschen Reiches 1,5% des Bruttosozialprodukts(BSP). 1938 waren es bereits 18,1% des BSP. 1935 wurde die Wehrpflicht wiedereingeführt und die Reichswehr in Wehrmacht umbenannt. 1939 dienten in ihr 4.556.000 Mann.
Darstellung
Die Welthauptstadt
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Die Welthauptstadt
Ein weiteres Großprojekt der Nationalsozialisten stellte der Umbau Berlins dar. Unter dem neuen Namen "Germania" sollte sie Macht und Bedeutung ihrer Erbauer für alle Zeiten demonstrieren. Dafür sollten im Stadtzentrum einige Repräsentativbauten wie zum Beispiel ein "Führerpalast" und eine "Ruhmeshalle" für 180.000 Menschen errichtet werden. Die Halle sollte der größte Kuppelbau der Welt werden und 320 Meter hoch sein. Die Atemluft der Besucher hätte womöglich zur Bildung von Wolken an der Kuppeldecke geführt. Auf der Kuppel sollte ein riesiger Reichsadler stehen, der die Weltkugel in seinen Fängen halten sollte.
Anfang des Jahres 1939 versuchte der Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht im Angesicht der katastrophalen Finanzlage Hitler zu einer Senkung der Ausgaben zu bewegen. Er wurde daraufhin entlassen, haushaltspolitische Vorbehalte passten nicht zu nationalsozialistischen Weltmachtfantasien.
Es ging den Nationalsozialisten um eine Neuordnung der Welt. An der Spitze sollte ein "Großdeutsches Reich" stehen, das ohne jede Konkurrenz Kontinentaleuropa beherrschen sollte. Ein Reich dessen äußere Grenzen zu den gigantischen Bauwerken seiner Hauptstadt passen sollten. Der Erreichung diesen Ziels ordneten die Nationalsozialisten alles andere unter.
"Neue Elite"
Der Abkürzung "Napola" steht für "Nationalpolitische Erziehungsanstalt". An solchen Eliteschulen sollten Jungen zu nationalsozialistischen "Führerpersönlichkeiten" erzogen werden, um dem Dritten Reich später in der Verwaltung (als sogenannte "Gauleiter") und beim Militär dienen zu können.
Aufgabe
zukünftige Eliten
Der Film "Napola" ist keine historische Dokumentation, sondern eine künstlerische Darstellung. Er basiert aber auf historischer Forschung und Originalquellen aus der damaligen Zeit, weswegen wir ihn hier wie eine historische Darstellung behandeln.
- Sieh dir den Trailer zum Film "Napola - Elite für den Führer" an. Beschreibe in eigenen Worten mit Hilfe der Aussagen der dargestellten Lehrer das Erziehungsideal der Nationalsozialisten.
- Wozu sollte die künftige Elite in der Lage sein und welche Gebiete sollte sie eines Tages beherrschen?
Aufgabe
Vorahnungen
- Erkläre an einem Beispiel aus dem Unterkapitel "Weltmachtfantasien", dass die Welteroberungspläne der Nationalsozialisten sich schon vor Ausbruch des Krieges in ihrer Politik abzeichneten.
- Finde Gründe dafür, dass viele Zeitgenossen Hitlers kriegerische Absichten bis zum Kriegsausbruch 1939 nicht sehen wollten oder zumindest nicht als zwangsläufig betrachteten.