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3.5 Durchhalten! Propaganda und Fluchtverbot am Ende des Krieges

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Urheber: Foto: Jerry Rutberg

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Troops_moving_through_Bensheim_1945_02.jpg

PD

Der Krieg geht verloren, doch weiß das die Bevölkerung?

Königsberg, Volkssturm
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Urheber: Bundesarchiv, Bild 183-R98401 / CC-BY-SA 3.0

https://en.wikipedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-R98401,_K%C3%B6nigsberg,_Volkssturm.jpg

Cc3BYSA

Der Krieg geht verloren, doch weiß das die Bevölkerung?

3.5 Durchhalten! Propaganda und Fluchtverbot am Ende des Krieges

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Ende des Jahres 1944 braute sich in den deutschen Ostgebieten eine Katastrophe zusammen. Der Krieg war zu diesem Zeitpunkt militĂ€risch verloren, das VorrĂŒcken der Roten Armee auf deutsche Gebiete nur eine Frage der Zeit. Was tut eine verantwortungsvolle politische FĂŒhrung in so einer Situation? Sie organisiert die Evakuierung möglichst vieler Zivilisten. Und was tat die nationalsozialistische FĂŒhrung? 

1. Totaler Krieg und Propaganda

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1943: Goebbels fordert den
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Rede von Goebbels im Berliner Sportpalast
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Bei dieser Form der KriegfĂŒhrung wird alles darauf ausgerichtet, den Krieg zu gewinnen. Die Bevölkerung soll alles fĂŒr das Erreichen der Kriegsziele geben. Das normale Leben musste auch in der Heimat der Kriegsmaschinerie unterstellt werden. Alle verfĂŒgbaren KrĂ€fte wurden entweder an der Front oder in der Heimat bei der kriegswichtigen Industrie eingesetzt. Der "totale Krieg" wird meist in vier Merkmale unterteilt.

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Totale Mobilisierung Totale Kontrolle Totale Kriegsziele Totale Kriegsmethoden

Da bereits alle MĂ€nner im Krieg sind, werden nun auch Frauen und Kinder mobilisiert. Nicht alle mĂŒssen an die Front, viele arbeiten in der Kriegswirtschaft. Stellen also in Fabriken Waffen, Munition und andere KriegsgerĂ€te wie beispielsweise Panzer her. Auch andere Zweige der Wirtschaft konzentrieren sich auf die Versorgung der Soldaten an der Front. 

Um die Bevölkerung auf den Krieg zu konzentrieren werden FreizeitaktivitĂ€ten stark eingeschrĂ€nkt, so schließen beispielsweise Kinos. Der Staat kontrolliert und reguliert alle gesellschaftlichen Elemente.

Der Feind soll durch den Krieg zerstört werden. Dabei ist auch eine SchÀdigung und Vernichtung der Zivilbevölkerung nicht ausgeschlossen. Der Feind soll so zur Kapitulation gezwungen werden.

Jede Waffe kann und wird eingesetzt, um dem Feind zu schaden und zu vernichten. Dabei wird keine RĂŒcksicht auf Zivilisten genommen.

Totale Mobilisierung Totale Kontrolle Totale Kriegsziele Totale Kriegsmethoden
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Über den Film
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Der Kolberg Film ist einer der letzten Propagandaspielfilme des NS-Regimes. Der Film erzÀhlt die Geschichte der Stadt Kolberg, die in den napoleonischen Kriegen ihre Stadt gegen die feindlichen Truppen verteidigt. Das Video zeigt eine ARTE-Dokumentation zum Film 'Kolberg'.
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Quelle

Der sogenannte Reichspropagandaminister Joseph Goebbels ĂŒber die militĂ€rische Lage in Pommern am 19. MĂ€rz 1945

Ich will dafĂŒr sorgen, daß die RĂ€umung von Kolberg nicht im OKW-Bericht verzeichnet wird. Wir können das angesichts der starken psychologischen Folgen fĂŒr den Kolberg-Film augenblicklich nicht gebrauchen.

Joseph Goebbels, TagebĂŒcher, hg. von Ralf Georg Reuth, Bd. 5: 1943-1945, MĂŒnchen 1992, S. 2161.

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Aufgabe

Propaganda

Du hast oben zwei Videobeispiele fĂŒr die Arbeit des Propagandaministers Goebbels in den letzten Kriegsjahren, die 'Sportpalastrede' und den Film 'Kolberg'.

  1. Leite aus diesen Beispielen die Erwartung der NS-FĂŒhrung an die deutsche Bevölkerung ab. Wie sollte diese sich verhalten?
  2. Nenne die Mittel, mit denen Goebbels versucht, die deutsche Bevölkerung zu beeinflussen.
  3. ErklĂ€re die GrĂŒnde dafĂŒr, dass Goebbels in Element 6 die Einnahme Kolbergs vor der deutschen Bevölkerung geheim halten will.

2. Fluchtverbot im Osten

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Im Januar 1945 startete die Rote Armee ihre Winteroffensive. Und obwohl die Sowjets immer nĂ€her an die deutsche Ostfront rĂŒckten, gab es keinerlei Anzeichen einer Evakuierung der deutschen Bevölkerung. Die Nationalsozialisten hielten an der Idee fest, dass der sowjetische Vormarsch auf deutschem Boden gestoppt werden mĂŒsste.

Die Rote Armee rĂŒckte immer weiter vor, den Alliierten gelangen VorstĂ¶ĂŸe nach Ostpreußen. Trotz der drohenden Gefahr sprach Erich Koch, Gauleiter der NSDAP in Ostpreußen, ein Fluchtverbot aus, dessen Übertretung hart bestraft wurde. EvakuierungsplĂ€nen wurde zu diesem Zeitpunkt keine Beachtung geschenkt, denn man hielt starr am endgĂŒltigen Sieg der Deutschen und der Ideologie "Verteidigung bis zum letzten Mann" fest.

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Aufgabe

Fluchtverbot

Sieh dir die beiden Zeitzeugenberichte in Element 10 & 11 zum Fluchtverbot an. 

  • Nenne die angefĂŒhrten GrĂŒnde fĂŒr das Fluchtverbot, das die NS-FĂŒhrung ausgesprochen hatte. 
  • "Das ist ein schwerer Vorwurf, den man den Deutschen eigentlich zu machen hat, dass sie diese Flucht nicht eher ermöglicht haben." Arno Surminski im Video. Welche Möglichkeiten hĂ€tte die NS-FĂŒhrung gehabt, anders auf das VorrĂŒcken der Roten Armee zu reagieren?
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Arno Surminski:  Fluchtverbot 1944
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Zeitzeuge Arno Surminski zum Fluchtverbot 1944
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Bruno Behrendt: Fluchtverbot
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Zeitzeuge Bruno Behrendt zum Fluchtverbot 1944
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3. Siegesillusion im Osten

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FĂŒr Adolf Hitler galt eine Evakuierung als Niederlage und war somit keine Option. Es galt also, den Widerstandswillen der Bevölkerung zu stĂ€rken. NatĂŒrlich wurden die Ereignisse an der Ostfront nicht wahrheitsgemĂ€ĂŸÂ dargestellt, sondern in Zeitungen und Radio nur sehr gefiltert weitergegeben. Hier wurde eine Illusion des Sieges dargestellt, obwohl eigentlich lĂ€ngst klar war, dass der Krieg verloren war. Die NSDAP vertrat starrsinnig ihre Ideologie des "Endsieges" und der "Verteidigung bis zum letzten Mann".

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Aufgabe

Hitlers Rede vom 30. Januar 1945

Hör dir Hitlers letzte öffentliche Rede vom 30.01.1945 an:

  1. ErlÀutere Hitlers verzerrtes Geschichtsbild! Was ist damit gemeint?
  2. Wodurch versucht er den Siegesglauben der Deutschen zu bestÀrken? Welches rhetorische Mittel wendet er an?
  3. Interpretiere folgende zwei Textpassagen:

Es gibt deshalb in diesem Schicksalskampf fĂŒr uns nur ein Gebot: Wer ehrenhaft kĂ€mpft, kann damit das Leben fĂŒr sich und seine Lieben retten. Wer der Nation aber feige oder charakterlos in den RĂŒcken fĂ€llt, wird unter allen UmstĂ€nden eines schimpflichen Todes sterben.

Ich erwarte von jedem Deutschen, daß er deshalb seine Pflicht bis zum Ă€ußersten erfĂŒllt, daß er jedes Opfer, das von ihm gefordert wird und werden muß, auf sich nimmt, ich erwarte von jedem Gesunden, daß er sich mit Leib und Leben einsetzt im Kampf, ich erwarte von jedem Kranken und Gebrechlichen oder sonst Unentbehrlichen, daß er bis zum Aufgebot seiner letzten Kraft arbeitet; ich erwarte von den Bewohnern der StĂ€dte, daß sie die Waffen schmieden fĂŒr diesen Kampf, und ich erwarte vom Bauern, daß er unter höchstmöglicher eigener EinschrĂ€nkung das Brot gibt fĂŒr die Soldaten und Arbeiter dieses Kampfes. Ich erwarte von allen Frauen und MĂ€dchen, daß sie diesen Kampf – so wie bisher – mit Ă€ußerstem Fanatismus unterstĂŒtzen. Ich wende mich mit besonderem Vertrauen dabei an die deutsche Jugend.

Hitlers letzter Rundfunkauftritt vom 30.01.1945
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Aufgabe

Krieg und 'Nachrichten'

Sieh dir die Wochenschau von Anfang 1945 an. Beschreibe, wie die Ereignisse in der Wochenschau dargestellt werden.

  • Werden die Ereignisse in der Wochenschau wahrheitsgetreu dargestellt? BegrĂŒnde deine Vermutung.
  • Warum wird von der Lage an der Ostfront nichts berichtet?


DIE DEUTSCHE WOCHENSCHAU, NO. 2, 1945
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Urheber: Foto: Nillerdk

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Schlesische_tageszeitung_anordnung_1945-01-26.JPG

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Anordnung zur Evakuierung am 26. Januar 1945

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Urheber: Adolf Hitler

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:FĂŒhrerbefehl_April_1945.jpg

PD

FĂŒhrerbefehl vom 22. April 1945 in Berlin, Ă€hnliche Befehle gab es auch in Breslau und Danzig

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Darstellung

Motive fĂŒr die Kampfbereitschaft

Der Krieg war aussichtslos und im Grunde bereits verloren. Warum kĂ€mpften die Soldaten also bis zum Ende des Krieges weiter? Folgende Motive waren ausschlaggebend fĂŒr die Kampfbereitschaft.

SiegesĂŒberzeugung

Lange Zeit waren die meisten Deutschen tatsĂ€chlich von einem siegreichen Ende des Krieges ĂŒberzeugt. Der Glaube an den Sieg gab ihnen Mut und Hoffnung, was dazu fĂŒhrte, dass sie auch in nahezu hoffnungsloser Lage weiterkĂ€mpften. Die Tatsache, dass der Krieg spĂ€testens ab Sommer 1944 (Zusammenbruch der Ostfront, Landung der Alliierten) militĂ€risch verloren war, wurde so gut es ging geheim gehalten. Die NS-FĂŒhrung war sehr bemĂŒht, die Kriegsmoral und die Siegesillusion aufrechtzuerhalten.

Glaube an den FĂŒhrer

Ein weiteres Motiv fĂŒr das WeiterkĂ€mpfen der Soldaten war der Glaube an ihren FĂŒhrer Adolf Hitler. Die erfolgreichen 'Blitzkriege' zu Beginn des Krieges, in denen in kĂŒrzester Zeit riesige Territorien erobert worden waren, hatten Adolf Hitler den Ruf eines unschlagbaren MilitĂ€rgenies eingebracht. Viele Deutschen trauten dem 'FĂŒhrer' fast schon magische FĂ€higkeiten zu, mit denen er die Gegner selbstverstĂ€ndlich besiegen wĂŒrde.

Pflichtbewusstsein

Auch das Pflichtbewusstsein spielte eine bedeutende Rolle und gehörte zum Soldatentum dazu. Das Pflichtbewusstsein war bedeutender als die Sehnsucht nach der Heimat und der Familie. FĂŒr sein Vaterland zu kĂ€mpfen und sich zu opfern wurde von den Nationalsozialisten erwartet, schließlich kĂ€mpfe Deutschland um seine Existenz. Der deutsche Soldat mĂŒsse sich in diesem "Schicksalskampf" beweisen. Dazu zĂ€hlen natĂŒrlich die typischen Soldatentugenden wie Mut, Gehorsam, Tapferkeit und WillensstĂ€rke.

Angst vor der Niederlage

Auch die Angst vor der Niederlage war ein starkes Motiv, das viele zum WeiterkĂ€mpfen bewegte. Die Angst, alle MĂŒhen könnten umsonst gewesen sein und die Angst vor der Rache der Gegner waren es, die die deutschen Soldaten weiterkĂ€mpfen ließen. Von der Bereitschaft sich fĂŒr das Vaterland zu opfern ist hier aber nicht die Rede, sondern man hatte viel mehr Angst vor dem Tod. Gerade die Soldaten an der Ostfront hatten oft eine gute Vorstellung davon, welche Grausamkeiten die Deutschen wĂ€hrend des Krieges in der Sowjetunion begangen hatten und waren oft selbst an diesen beteiligt gewesen. Sie erwarteten keine Gnade von den sowjetischen Soldaten.

Marina Herischko

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Quelle

Feldpostbrief von Paul Neujahr, Danzig 1945

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Danzig-Neufahrwasser, d. 14.3.45


Meine liebe Puppe, mein liebes Töchterchen! Alle meine Lieben!
Alle Möglichkeiten, Euch zu schreiben, werden ausgenutzt. So nutze ich die Gelegenheit, da ich am 15.3. wieder in Danzig bin beim OrthopĂ€den (ich lasse mir Einlagen machen, da lt. Ă€rztl. Befund noch "kriegsverwendungsfĂ€hig". aber hochgradig Senk-Spreizfuß habe!) und den Brief jetzt im Hauptpostamt abgebe!
Ich war heute in Danzig, da war gerade Artellerie-Beschuß. Hotel Continental hat einen Treffer bekommen. FlĂŒchtlinge waren da gerade zum Essen, die Leichen grauenvoll, ich hĂ€tte bald geheult, als ich die Kinderleichen sah.
Alle GeschĂ€fte sonst geschlossen, in Kinos sind auch FlĂŒchtlinge untergebracht! Ein großes Heerlager von MilitĂ€r. Danzig richtet sich zur Verteidigung ein. Ich habe auf der Straßenbahn von einer Frau 1000 gr. Brotmarken bekommen und ein ganz frisches Brot gekauft. Und bei einem SchlĂ€chter gab mir die Frau nach vielem Reden 100 gr. Wurst. Auf dem Schlachthof kaufe ich (45 Pfg. pro Pfd!) 20 Pfd. Rindfleisch. Wir haben auf der Stube gleich uns Gehacktes gemacht und Buletten mit Sonnenblumenöl gebraten. Fabelhaft, mal wieder satt! Also Du siehst, liebe Mutti, daß ich noch immer einen guten Schutzengel habe, der muß und wird mich weiter beschĂŒtzen. Noch ist nichts raus, wann es zum Einsatz geht! Aber eines Tages wird's doch sein mĂŒssen! Vielleicht kommen wir vorher noch raus aus dieser ekelhaften Falle! Dicht am Hafen Neufahrwasser liegen wir ja!! Aber erst verladen sie Verwundete und FlĂŒchtlinge! Wir kommen erst zum Schluß, dann vielleicht heran. Es ist zwar ein ekelhaftes GefĂŒhl, so im Kessel zu liegen. Adlershorst wurde heute sehr beschossen!
Wir mĂŒssen mit allen EventualitĂ€ten rechnen und auch mit Gefangenschaft! Aber, liebe Mutti, sei deswegen nicht traurig. Wenn das der Fall sein muß, dann muß man sich damit abfinden, aber wir sind dann 100000 Mann. Unendlich viel MilitĂ€r, Volkssturm, Marine, HJ usw. liegen hier. - Trudel Fischer hat auch ein schweres Los. Karte liegt bei! Erich wird vermißt oder tot sein. Ich befĂŒrchte das letztere, kenne den Rummel. In einem so heillosen Durcheinander denkt man nicht an die Benachrichtigung der Angehörigen, wir z.B. haben es, soweit bekannt, zwar auch von hier aus getan! Die Toten werden erst nach Tagen beerdigt. Tröste Trudel Fischer, aber sage ihr nichts von meinen BefĂŒrchtungen!
Hier sieht es katastrophal aus, ĂŒberall MilitĂ€r, es muß uns gelingen, Danzig zu halten und durchzukommen oder aber per Schiff zu entfliehen! Der Druck der Russen ist auch hier sehr stark! Aber wir hoffen, hoffen!
Daß meine Gedanken stĂ€ndig bei Euch sind, ist selbstverstĂ€ndlich! Ich gestehe auch ein, daß ich schon mĂ€chtige Sehnsucht nach Euch allen habe. Aber der Krieg ist unerbitterlich. Mal wird Schluß sein! Bleibt alle tapfer und vergeßt Euren Vati nicht. Liebe Mutti, Postsparbuch hast Du ja. Du kannst notfalls immer weiter mit meinem Namen unterzeichnen. Vollmacht ist ja nicht notwendig. Du handelst ja stets in meinem Sinne, also weiter so. Hoffentlich habt Ihr eine anstĂ€ndige Bleibe, braucht nicht zu hungern und frieren! Ich mache mir deswegen große Gedanken. Deckt Euch mit Lebensmitteln ein. Wenn die Belagerung kommt, dann FĂŒhlung halten auch mit Schlachthof (evtl. durch Rudi Richter!) Was gibt's neues? Ich warte so sehnsĂŒchtig auf Post. An jeden kann ich nicht mehr schreiben. Keine Zeit, auch Lichtsperrstunde, dazu Wache u.s.w. Morgen schreibe ich nicht. Da wollen wir, da noch 2 Ztr. Fleisch angerollt sind, ein Kompanie-Essen machen. Aber ĂŒbermorgen, sofern noch hier und Zeit! Haltet alle zusammen, dann lĂ€ĂŸt sich alles leichter ertragen! 

Herzliche GrĂŒĂŸe an alle Lieben dort, besonders Eltern, Geschwister und viele tausend KĂŒsse von Eurem Vati.
Meine liebe Helga, bleib hĂŒbsch brav und anstĂ€ndig und hilf Mutti wo Du nur kannst. Schule laß Schule sein.

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Quelle

Feldpostbrief des Soldaten Heinz, 1943

§ PD

O.U., den 21.1.43.


Liebe Elly, lieber Fred,
Gestern kam Euer Brief vom 14.1. hier an. Recht schönen Dank, Ich habe mich sehr gefreut, weil es die erste lÀngere Nachricht aus der Heimat war. Ich will nun auch gleich antworten:
Die strenge KĂ€lte hat bei und nur wenige Tage angehalten und ich hoffe, dass es bei Euch auch so ist. Meist ist ja hier das Wetter Ă€hnlich, wie in Deutschland. Jetzt haben wir nur noch bis 15° KĂ€lte und es ist einigermassen ertrĂ€glich. Im Zimmer ist es allerdings immer noch so kalt. Meist nur 13°. Ich habe mich aber schon einigermassen daran gewöhnt. Es bleibt mir ja nichts weiter ĂŒbrig. Was Du ĂŒber die schönen Stunden schreibst, die ich bei Euch verlebt habe, kann ich nur bestĂ€tigen. Auch ich wĂŒnsche mir, dass ich noch recht viele so schöne Tage bei Such verleben kann und hoffe, dass es bald soweit ist. Ich bereue jedenfalls keinen Tag, den ich bei Euch verbracht habe. Schöner konnte ich mir meinen Urlaub wirklich nicht wĂŒnschen. - FĂŒr die GrĂŒsse Deiner Kollegen recht schönen Dank. GrĂŒsse Sie bitte auch von mir und ich denke gerne an die Hasenbraten zurĂŒck, besonders, wenn es bei uns Sauerkrautsuppe als Mittagessen gibt. - PĂ€ckchenmarken habe ich z.Zt. nicht meht zur VerfĂŒgung. Sobald ich welche bekomme, schicke ich Sie. - Auf den Geburtstagskuchen freue ich mich schon jetzt. Du kannst ruhig Kuchen schicken.
Die Stolle hat den Transport fabelhaft ĂŒberstanden und ausgezeichnet geschmeckt. Gestern habe ich ĂŒbrigens das letzte StĂŒckchen Wurst aus dem PĂ€ckchen gegessen. Und damit ist nun alles alle. Leider, leider. Noch mehr konnte ich aber nicht einteilen. Jetzt wird es nun kritisch und ich muss sehen, wie ich zurecht komme. - Den Foto schicken halte ich fĂŒr riskant. Wenn aber wieder ein Urlauber fĂ€hrt, dann schreibe ich Dir. Das ist dann sicherer. Vielleicht komme ich auch bald wieder auf Urlaub und kann ihn dann selbst mitnehmen. Hauptsache ist aber Erst mal, dass Du ihn ĂŒberhaupt bekommst. Hoffentlich klappt es. Geld spielt keine Rolle. Bei nĂ€chster Gelegenheit schicke ich 100,- RM an Dich ab. - Irgendwelche Hoffnungen auf Kurse und Kommandierungen ins Reich sind Zwecklos. Ausserdem wisst Ihr ja, dass ich ganz zufrieden bin, da es hier immer noch einigermassen sicher ist. - 4 Millionen, grosse Offensive und Schluss halte ich auch fĂŒr wahrscheinlich, ĂŒbrigens war ich erstaunt, dass jetzt viele meiner Kameraden dieselbe Ansicht haben, wie ich. Es hat sich also doch schon herumgesprochen. Na, hoffentlich geht alles einigermassen gut ab.
So, das wĂ€re nun alles zu dem Brief. - Inzwischen ist auch Post von Papa gekommen. Das ĂŒbliche blöde Zeug, Streit mit Onkel Alex, der nicht nur dumm sondern auch undankbar ist (!!), Streit mit der ganzen Welt, Kriegsbegeisterung usw., usw. Ich habe bald keine Lust mehr auf den Blödsinn zu antworten. Es ist immer dasselbe und 1 Brief gleicht dem anderen. - Von Egon habe ich auch einen Brief bekommen. Abgegangen am 23.12. Er steckt im Kessel bei Stalingrad. Nachschub nur durch die Luft. 7 Mann 1 Brot, nur kalte Kost, viel Arbeit und dauernd KĂ€mpfe. Es soll furchtbar sein. Sind damals schon 4 1/2 Wochen eingeschlossen gewesen. - Sonst nicht viel neues. Ich mache viel Wache. Sonst dafĂŒr aber auch fast garnichts. Heute viel Schnee und ziemlich warm. Höchstens 5°. Diesmal scheint es der Winter mit uns gnĂ€dig zu machen. - Karamba schicke ich auch bald ab. - Den Bericht ĂŒber die Stadt habe ich schnell noch fertig gemacht, weil ich ihn Euch versprochen habe. Ging aber sehr in Eile und ist deshalb nicht besonders geworden. Schreibe gelegentlich noch mehr dazu, - So, das wĂ€re nun einstweilen alles, was ich zu berichten hĂ€tte. Hoffe nun bald von Euch mehr zu hören, besonders, wie der Fliegeralarm abgelaufen ist. Hoffentlich fĂ€ngt es nicht wieder so an, wie vor 2 Jahren.
Morgen gehe ich zum Zahnarzt und ĂŒbermorgen habe ich Wache. FĂŒr die nĂ€chsten 2 Tage bin ich also wieder beschĂ€ftigt. Wenn sich nichts besonderes ereignet, schreibe ich in 8 - 10 Tagen wieder.

Einstweilen nun
recht herzlichen Gruss
und gute Besserung fĂŒr Fred
Heinz

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Aufgabe

Briefe

  1. Lies dir die beiden Feldpostbriefe aus dem Zweiten Weltkrieges durch. Diese waren durch Zensur geprĂ€gt und wurden kontrolliert – die Soldaten konnten also nicht immer all ihre Gedanken und GefĂŒhle zu Papier bringen. Kannst du ein Motiv fĂŒr das Durchhaltevermögen erkennen? Wenn ja, welches?
  2. Such dir nun einen der beiden Feldpostbriefe aus und versetze dich in die Lage des Schreibenden:

Schreibe dazu einen inneren Monolog aus der Sicht des Soldaten und denke ĂŒber folgende Punkte nach:

  • Das habe ich erlebt
  • Das sind meine Hoffnungen
  • So fĂŒhle ich mich
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Aufgabe

Partnerarbeit

Diskutiert die folgenden Fragen gemeinsam:

  • Was hĂ€tte eine frĂŒhere Evakuierung Ostpreußens geĂ€ndert?
  • Wieso hielten die Nationalsozialisten so starrsinnig an ihrer Ideologie des 'Endsieges' fest?
  • Was sagt dies ĂŒber die Handlungsmoral der Verantwortlichen aus?

Zusammenfassung: Durchhalten! Propaganda und Fluchtverbot am Ende des Krieges

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