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8.1 “Ethnische Säuberungen” während der Balkankriege in den 1990er Jahren

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© Foto: Historisches Museum Bosnien und Herzegowina

Arrc

Momente der Verabschiedung, während des Krieges in Bosnien und Herzegowina.

8.1 “Ethnische Säuberungen” während der Balkankriege in den 1990er Jahren

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Nachdem Bosnien und Herzegowina 1992 seine Unabhängigkeit erklärte, konkurrierten die Ethnien und ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken um das diverse Land. Im Zuge 'ethnischer Säuberung' wurde rund die Hälfe der bosnischen Bevölkerung aus ihrer Heimat vertrieben. Die Anfeindung von Menschen aufgrund ihrer Religion, Kultur oder Herkunft führte in Srebrenica zum Genozid an den muslimischen Bosniaken. Aber was genau ist ein Ethnie? Und warum spielten diese während des Bosnienkrieges eine so entscheidende Rolle?

Die alte Brücke in Mostar, Bosnien und Herzegowina.
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Urheber: MoreToTheShell

https://pixabay.com/de/photos/mostar-bosnien-stari-most-brücke-3732480/

PD

1. Die Entstehung Jugoslawiens

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Darstellung

Warum mit Jugoslawien beschäftigen?

Mit dem Zerfall des Ostblocks ab 1989 ging die Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden in Europa einher. Die Ausgrenzung, Vertreibung und Ermordung von Menschen aufgrund ihrer Religion, Kultur oder Herkunft sollten der Vergangenheit angehören. Doch auf dem Balkan rumorte es! Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten sich die südslawischen Völker in dem Vielvölkerstaat Jugoslawien zusammen geschlossen.

Jedoch nahmen ethnische und religiöse Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen ab den 1980er Jahren zu. Gleichzeitig wurden die Forderungen nach Unabhängigkeit in den Teilrepubliken lauter. Nationalismus und die Abgrenzung der verschiedenen Ethnien ersetzten den Glauben an einen gemeinsamen Staat. Die Spannungen wurden so stark, dass keine Kompromisse mehr gefunden werden konnten. Eine gemeinsame Zukunft innerhalb eines Staates schien nicht mehr möglich. Mit den Unabhängigkeitserklärungen von Slowenien und Kroatien im Sommer 1991 brachen auf dem Balkan Kriege aus. Um zu verstehen was in den 1990er Jahren in Bosnien und Herzegowina passierte, müssen wir uns mit diesem gemeinsamen Staat Jugoslawien beschäftigen.

Jonathan Ventzke

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Darstellung

Ein Staat der Serben, Kroaten und Slowenen

Im 19. Jahrhundert entstand erstmals die Idee eines gemeinsamen südslawischen Staates. Jedoch befanden sich viele Südslawen unter der Kontrolle der Habsburger Monarchie (siehe Kapitel 1.6). Das Streben nach nationaler Unabhängigkeit gipfelte am 28. Juni 1914 im Attentat auf den habsburgischen Thronfolger Franz Ferdinand und seiner Frau durch den bosnisch-serbischen Nationalisten Gavrilo Princip.

Infolge des ersten Weltkrieges wurde Österreich-Ungarn aufgeteilt. Der erste gemeinsame Staat von Serben, Kroaten und Slowenen entstand und der serbische König Peter I. Karađorđević wurde zu dessen ersten König ernannt. In den Folgejahren kam es jedoch zu Unruhen, weswegen sein Nachfolger eine neue Verfassung erließ und den Staat in Königreich Jugoslawien umbenannte. Dieses Königreich wurde am 6. April 1941 von Nazideutschland angegriffen und musste wenig später kapitulieren. Es folgte eine brutale Besatzungszeit der nationalsozialistischen Truppen.

Daraufhin entstanden auf Teilen des Staatsgebietes kollaborierende Staaten, wie das Ustascha-Regime auf dem Gebiet Kroatiens. Andere organisierten sich in Widerstandsgruppen wie den Partisanen unter Josip Broz Tito und kämpften gegen die deutschen Besatzer und Kollaborateure. Trotz faschistischer Greuel- und Vergeltungstaten und wenig Unterstützung durch die Alliierten und der Sowjetunion konnte sich Jugoslawien befreien. Am 29. November 1945 wurde die Volksrepublik Jugoslawien ausgerufen, mit Tito als erstem Ministerpräsident.

Gavrilo Prinzip erschießt habsburgischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und dessen Frau.
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Urheber: Achille Beltrame

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:DC-1914-27-d-Sarajevo-cropped.jpg#/media/Datei:DC-1914-27-d-Sarajevo-cropped.jpg

PD
Gavrilo Prinzip erschießt erschießt Franz Ferdinand und seiner Frau und löst somit den ersten Weltkrieg aus.
Porträt von Peter I. Karađorđević, dem ersten König Jugoslawiens.
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https://commons.wikimedia.org/wiki/File:PetarI-Karadjordjevic.jpg

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Peter I. Karađorđević war der erste König Jugoslawiens.
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https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_I._(Jugoslawien)#/media/Datei:Kralj_aleksandar1.jpg

PD
Sein Nachfolger Alexander Karađorđević, der mit der neuen Verfassung das Königreich Jugoslawien schuf.
Zerstörung in Belgrad nach dem deutschen Überfall 1941.
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https://de.wikipedia.org/wiki/Balkanfeldzug_(1941)#/media/Datei:Bundesarchiv_Bild_141-1005,_Belgrad,_Zerstörungen.jpg

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Zerstörung in Belgrad nach dem deutschen Überfall 1941.
Plakat der jugoslawischen Partisanen.
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https://de.wikipedia.org/wiki/Volksbefreiungsarmee_(Jugoslawien)#/media/Datei:Partizanski_plakat_1945.jpg

PD
Poster der gegen die Nazibesatzung kämpfenden Partisanen.
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Jonathan Ventzke

Geschichte Jugoslawiens auf dem Zeitstrahl
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Piera Jelinek

Zuordnung der jugoslawischen Teilrepubliken

Jugoslawien von 1945 bis 1990

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Aufgabe

  1. Nenne 3 ethnische Bevölkerungsgruppen des ehemaligen Jugoslawiens. Mit welchen Teilrepubliken wurden diese assoziiert?
  2. Was unterschied Jugoslawien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von anderen europäischen Staaten?
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Darstellung

Tito und Jugoslawien

Kind versteckt sich hinter einem Auto. Im Hintergrund ist ein weißer UN Container zu sehen.
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© Historisches Museum Bosnien und Herzegowina

Arrc

2. Der Krieg in Bosnien und Herzegowina

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Der Kroatische Präsident ehemalige Franjo Tuđman
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Urheber: Mark Reinstein

https://de.wikipedia.org/wiki/Franjo_Tuđman#/media/Datei:Franjotudjman.jpg

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Der kroatische Präsident Franjo Tuđman.

Der ehemalige Präsident von Bosnien-Herzegowina Alija Izetbegović.
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Urheber: Helene C. Stikkel

https://de.wikipedia.org/wiki/Alija_Izetbegović#/media/Datei:Izetbegovic.jpg

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Der Präsident Bosnien-Herzegowina's Alija Izetbegović.

Der ehemalige Präsident Serbiens Slobodan Milošević.
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Urheber: Stevan Kragujević

https://de.wikipedia.org/wiki/Slobodan_Milošević#/media/Datei:Stevan_Kragujevic,_Slobodan_Milosevic,_portret.jpg

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Der Präsident Serbiens Slobodan Milošević.

Die Zerfallskriege in Jugoslawien begannen 1991 mit der Unabhängigkeitserklärung Sloveniens. In den folgenden 10 Jahren Krieg wurden 300.000 Menschen getötet und Millionen aus ihrer Heimat vertrieben. Der Krieg gliedert sich in verschiedene Abschnitte und Auseinandersetzungen der ehemaligen Teilrepubliken. Dabei standen sich jedoch immer die Ethnien als Kriegsparteien gegenüber und versuchten Gebiete für die eigene Bevölkerungsgruppe zu erobern. 

Aufgrund der ethnischen Vielfalt wurde der Krieg in Bosnien und Herzegowina besonders grausam geführt. Vor dem Krieg hatten hier katholische Kroaten, christlich-orthodoxe Serben und muslimische Bosniaken gemeinsam gelebt. Als sich die Republik Bosnien und Herzegowina 1992 für unabhängig erklärt erkannten die bosnischen Kroaten und bosnischen Serben diesen nicht an. Unterstützt von Kroatien und Serbien gründeten sie stattdessen die Kroatische Republik Herceg-Bosna und die Republika Srpska. Diese drei Kriegsparteien kämpften in wechselnden Bündnissen um das zuvor gemeinsam bewohnte Land.

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Darstellung

Was ist eine Ethnie?

Die Zuordnung zu einer Ethnie war ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Alltags. Deswegen wird in dem Kapitel immer wieder Bezug auf ethnische Gruppen genommen. Dabei entsteht der Eindruck, dass es sich um 'natürliche' und eindeutige voneinander unterscheidbare Gruppen handelt. Jedoch sind Ethnien ähnlich wie der Nationalismus ein Konzept. Auf der Grundlage bestimmter Merkmale wie der Herkunft, Religion oder Kultur, ordnen sich Menschen bestimmten Gruppen und Identitäten zu.

Viele Menschen in Jugoslawien wuchsen jedoch in Familien auf, die sich aus verschiedenen Ethnien zusammensetzten. Welcher Ethnie sollten deren Kinder zugeordnet werden? Gibt es überhaupt diese klaren Trennlinien zwischen den Ethnien?

Jonathan Ventzke

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Aufgabe

Zuordnung der Konfliktparteien

Die Belagerung von Sarajevo

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Das brennende Parlamentsgebäude, das von einer Granate getroffen wurde.
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Urheber: Mikhail Evstafiev

https://de.wikipedia.org/wiki/Belagerung_von_Sarajevo#/media/Datei:Evstafiev-sarajevo-building-burns.jpg

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Das brennende Parlamentsgebäude, infolge eines Granatebeschusses.

Die bosnische Hauptstadt Sarajevo, ein Symbol der ethnischen Vielfalt Jugoslawiens, war besonders umkämpft. Unter der fast 4 jährigen Belagerung durch bosnisch-serbischen Streitkräften litt vor allem die Zivilbevölkerung. Nahrungsmittel und Heizungsmaterial konnten nur über Schmuggelrouten und den von der UN kontrollierten Flughafen in die Stadt gelangen. Zudem standen sie ständig unter dem willkürlichen Beschuss durch Sniper und Granaten. Um zu überleben bauten die Bewohner und Bewohnerin Gemüse in Gärten an, kochten und heizten mit improvisierten Öfen und legten Gräben zur Fortbewegung an.

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Merkkasten

Die UN Mission in Sarajevo

Die Einheiten der Vereinten Nationen (UN) versuchten über einen Stützpunkt am Flughafen die eingekesselte Stadt mit lebenswichtigen Gütern zu versorgen. Des Weiteren versuchten sie durch ihre Präsenz in der Stadt die humanitäre Lage zu verbessern. Jedoch konnte durch die UN Mission weder der bosnisch-serbische Beschuss noch deren Blockade verhindert werden.

Die Aufnahmen brutaler Anschläge auf die Zivilbevölkerung erschütterten immer wieder westliche Medien. Der Einschlag einer Granate  auf einem Markt in Sarajevo 1995 führte letztendlich zum Eingreifen der NATO. Erst deren Kampfhandlungen führten zum Ende der Belagerung.

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Jonathan Moritz Ventzke

Der Krieg macht aus dem Alltag einen täglichen Überlebenskampf.
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Durch einen angelegten Graben laufen Menschen mit ihren Einkäufen.
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© Historical Museum BiH

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Die Bewohner von Sarajevo legten Gräben an, da auf den Bergen um Sarajevo Sniper in die Stadt schossen.

Eine tote Person liegt mit einer Decke abgedeckt auf der Straße.
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© Historical Museum BiH

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Diese Schüsse führten auch dazu, dass immer wieder tote Menschen auf der Straße lagen.

DIe im Krieg zerstörte Straßenbahn beginnt zu rosten.
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© Historical Museum BiH

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DIe im Krieg zerstörte Straßenbahn beginnt zu rosten.

Die markanten Hochhäuser von Sarajevo waren während des Krieges ausgebrannt.
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© Historisches Museum Bosnien und Herzegowina

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Gebäude wurden das Ziel von Granatenbeschuss. Die markanten Hochhäuser von Sarajevo waren während des Krieges ausgebrannt.

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Darstellung

Kinder im belagerten Sarajevo

Waffen gehörten zum Alltag der Kinder.
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© Historisches Museum Bosnien und Herzegowina

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Waffen gehörten zum Alltag der Kinder.
Kinder wurden auch immer wieder das Ziel von feindlichen Angriffen.
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© Historisches Museum Bosnien und Herzegowina

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Kinder wurden auch immer wieder das Ziel von feindlichen Angriffen.
Kinder wurden von ihren Eltern getrennt, die teilweise zurückbleiben mussten um zu Kämpfen.
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© Historisches Museum Bosnien und Herzegowina

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Kinder wurden von ihren Eltern getrennt, die teilweise zurückbleiben mussten um zu Kämpfen.
Bei Granatenbeschüssen wurde unter Tischen Schutz gesucht.
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© Historisches Museum Bosnien und Herzegowina

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Bei Granatenbeschüssen wurde unter Tischen Schutz gesucht.
Der Unterricht musste in Kellern und Treppenhäusern stattfinden.
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© Historisches Museum Bosnien und Herzegowina

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Der Unterricht musste in Kellern und Treppenhäusern stattfinden.
Zeichnungen der Kinder zeigen deren Wahrnehmungen der Kriegserfahrungen.
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© Historisches Museum Bosnien und Herzegowina

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Zeichnungen der Kinder zeigen deren Wahrnehmungen der Kriegserfahrungen.
Aufgrund des ständigen Beschusses durch Sniper, gehörte das Verstecken hinter Autos zum Alltag der Kinder.
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© Historisches Museum Bosnien und Herzegowina

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Aufgrund des ständigen Beschusses durch Scharfschützen, gehörte das Verstecken hinter Autos zum Alltag.

Vor allem Kinder wurden während des Krieges oft zu den Leidtragenden. Eine unbeschwerte Kindheit war kaum möglich. In Sarajevo musste aufgrund von Granatenbeschuss der Schulunterricht in ungeheizten Treppenhäusern oder Kellern stattfinden. Sobald sie draußen Spielplätze aufsuchten, liefen sie immer wieder Gefahr das Ziel von Scharfschützen zu werden. Dazu kam die schwierige Versorgung mit lebenswichtigen Gütern. Fast 4% der Opfer während des Krieges in Bosnien und Herzegowina waren Kinder.

Flucht und Vertreibung

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Die ethnische Abgrenzung war die Grundlage des Krieges in Bosnien und Herzegowina. Das Gefühl, dass ein Leben mit anderen Ethnien nicht mehr möglich war, wurde im Krieg brutal angewendet. Auf Worte folgten nun Taten! Flucht und Vertreibung waren keine Begleiterscheinung, sondern ein erklärtes Kriegsziel. Während des Krieges wurde rund die Hälfte der bosnischen Bevölkerung vertrieben. Bereits ein Jahr nach dem Ausbruch des Krieges waren 2,7 Millionen Bosnierinnen und Bosnier aus ihrer Heimat geflohen.

Neben vielen Binnenflüchtlingen suchten ca. 700.000 Menschen Zuflucht und Schutz im europäischen Ausland. Allein in Deutschland befanden sich zwischenzeitlich 350.000 bosnische Kriegsflüchtlinge. In kleineren Ländern wie Österreich, Italien und Schweden waren es 50.000. Die meisten dieser Kriegsflüchtlinge mussten nach dem offiziellen Ende des Krieges wieder nach Bosnien und Herzegowina zurückkehren, da ihre Aufenthaltsgenehmigungen nicht verlängert wurden. Jedoch konnten nur wenige in ihre alte Heimar zurückkehren. Es wird geschätzt das mindestens 1 Millionen Menschen durch den Krieg entwurzelt wurden.

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Menschen warten auf den Transport in sichere Gebiete.

Vater verabschiedet sich von seinem Kind.
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© Historisches Museum Bosnien und Herzgowina

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Momente des Abschiedes während des Krieges.

Vater verabschiedet sich von seinem Kind.
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© Historisches Museum Bosnien und Herzgowina

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Vater verabschiedet sich von seinem Kind.

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© Historisches Museum Bosnien und Herzgowina

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Ansammlung von Menschen vor den Bussen, die flüchtende Menschen in andere Gebiet brachten.

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© Historisches Museum Bosnien und Herzgowina

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Ansammlung von Menschen vor den Bussen, die flüchtende Menschen in andere Gebiet brachten.

'Ethnische Säuberung'

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Die im Krieg vorgenommenen Vertreibungen fanden nicht willkürlich statt, sondern aufgrund ethnischer Zugehörigkeit. Militärische Einheiten, die eine bestimmte Ethnie repräsentierten, versuchten Landesteile nach der Eroberung von anderen Ethnien zu 'säubern'. Dabei kam es zur Zerstörung von Eigentum, Plünderung, massenhaften Vergewaltigungen, der gezielten Tötung von ZivilistInnen oder der gewaltsamen Umsiedlung. Die 'ethnischen Säuberung' lassen beispielsweise in den östlichen Landesteilen Bosnien und Herzegowinas beobachten. Die bosnisch-serbischen Truppen versuchten dort während des Krieges die von ihnen eroberten Gebiet von muslimischen Bosniaken zu 'säubern'. Diese suchten daher Schutz in vom bosnischen Staat kontrollierten Gebieten und den Schutzzonen der UN. 

Auch Angehörige der bosnisch-serbischen Bevölkerung wurden vertrieben. Nachdem kroatische Truppen das Gebiet der Krajina eroberten, wurden 100.000 Serben vertrieben. Jedoch muss festgehalten werden, dass der übergroße Teil der 'ethnischen Säuberung' und schweren Kriegsverbrechen von bosnisch-serbischen Truppen begangen wurde.

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Methodenhinweis

Was zeigen die folgenden Karten?

Die Karten machen das Ausmaß der 'ethnischen Säuberungen' deutlich. Während vor dem Kriegsausbruch die verschiedenen Ethnien in vielen Landesteilen zusammen gelebt hatten, waren die Ethnien nach dem Krieg auf verschiedene Gebiete aufgeteilt. Der im Krieg vorgenommene Bevölkerungsaustausch blieb auch in der Folge bestehen, da nur wenige Menschen nach dem Krieg in ihre Heimat zurückkehren konnten. Die Karten machen diese bis heute spürbare Segregation der Ethnien sichtbar.

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Piera Jelinek

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Piera Jelinek

Folgen der 'ethnischen Säuberungen'
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Aufgabe

Folgen der 'ethnischen Säuberungen'

Jonathan Ventzke

Die Mission der United Nations

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Das Erkennungszeichen der UN-Sodalten: der blaue Helm.
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Urheber: Daniel Košinár

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Blue_helmet.JPG

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Das Erkennungszeichen der UN-Soldaten: der blaue Helm.

Nachdem internationale Vermittlungsversuche scheiterten, entschied sich der UN-Sicherheitsrat 1992 eine Friedenstruppe nach Bosnien und Herzegowina zu entsenden. Die United Nations Protection Force (UNPROFOR) sollte zunächst nur den Konflikt beobachten. Als sich die Kämpfe nach Bosnien und Herzegowina verlagerten, änderte sich diese Auffassung. Zur Aufrechterhaltung der humanitären Grundlage wurden Schutzzonen für Binnenflüchtlinge eingerichtet. Trotzdem erhielten die UN-Soldaten weder ein Mandat des UN-Sicherheitsrats, noch die Ausrüstung für Kampfhandlungen. Eine wirksame Verteidigung der Schutzzonen war somit kaum möglich. Als bosnisch-serbische Truppen die Schutzzone Srebrenica einnahmen konnten die UN-Soldaten keine Gegenwehr leisten. Deren Anwesenheit konnte den Genozid an der bosniakischen Bevölkerung nicht verhindern.

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Ein Amphibienfahrzeug der UN in einer engen Straße.
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© Historical Museum BiH

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Mit gepazerten Fahrzeugen wurden Menschen und Güter durch die Stadt transportiert.

UN Soldaten posieren auf einer Straße in Sarajevo.
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© Historical Museum BiH

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Eine Gruppe von UN-Soldaten auf einer der Hauptstraßen in Sarajevo.

Kind versteckt sich hinter einem Auto. Im Hintergrund ist ein weißer UN Container zu sehen.
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© Historisches Museum Bosnien und Herzegowina

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Ein Junge versteckt sich hinter einem Auto. Im Hintergrund sind die weißen Container der UN-Mission zu erkennen.

Der Genozid in Srebrenica

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Darstellung

Woher kommt der Begriff Genozid?

Der Begriff Genozid, im deutschen auch als Völkermord bezeichnet, stammt aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Auch wenn bei den Nürnberger Prozessen, niemand wegen Genozid angeklagt wurde, etablierte sich der Begriff als Beschreibung für die planmäßige Ermordung der europäischen Juden und anderer Bevölkerungsgruppen im Nationalsozialismus.

Aufgrund des Kalten Krieges und dem Fehlen einer gemeinsamen Rechtsordnung konnten begangene Genozide nicht geahndet werden. Erst nach dem Ende des Kalten Krieges wurden die Nürnberger Prinzipien wieder wichtig. Zunächst wurde versucht mit Ad-hoc-Strafgerichtshöfen Kriegsverbrechen aufzuklären und Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen. Auch die Kriegsverbrechen im Jugoslawienkrieg wurden vor einem solchen Ad-hoc-Strafgerichtshof verhandelt - dem Internationalen Straftribunal für Ex-Jugoslawien (ICTY). Dieses befand 2007, dass es sich bei dem Massaker in Srebrenica um den Tatbestand eines Genozides handelt.

2002 wurde im Zuge des römischen Statuts der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag eingerichtet, der die Aufgaben der Ad-hoc-Strafgerichtshöfe übernimmt. Heute beschreibt der Begriff die gezielte Verfolgung von Bevölkerungsgruppen aufgrund ihrer Religion, Sprache, Kultur oder Tradition. Andere Beispiele für Genozide, sind die Vernichtung der Herero und Nama durch deutsche Kolonialtruppen 1904-1908 oder der Völkermord an den Tutsi in Ruanda 1994.

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Emblem des Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien.
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Das Gebäude des Internationalen Strafgerichtshofes für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Scheveningen, Den Haag.
Radovan Karadžić zu Beginn einer Verhandlung 2016.
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https://de.wikipedia.org/wiki/Radovan_Karadžić#/media/Datei:Radovan_Karadžić_-_Trial_Judgement_-_24_March_2016.jpg

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Der politische Vertreter der bosnischen Serben Radovan Karadžić zu Beginn einer Verhandlung 2016.

Exkurs: Von den Nürnberger Prozessen bis zum gegenwärtigen Völkerrecht.

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Der folgende Podcast befasst sich mit der Entwicklung des Völkerrechts von den Nürnberger Prozessen bis zur Gegenwart. Dabei spielen auch die Ereignisse in Jugoslawien eine wichtige Rolle.

Vor 75 Jahren: Urteile im Nürnberger Prozess -
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Von den Nürnberger Prozessen bis zum gegenwärtigen Völkerrecht.

Jonathan Ventzke

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Jonathan Moritz Ventzke

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Aufgrund zunehmender Kämpfe im Osten Bosnien und Herzegowinas erklärte die UN 1993 die Stadt Srebrenica zur Schutzzone. Die bosnisch-serbischen Truppen eroberten in Folge umliegende Gebiete zu vollzogen dort 'ethnische Säuberungen'. Die schutzsuchenden Bosniaken flüchteten in die Schutzzone der UN. In Srebrenica befanden sich in der Folge 42.000 Menschen, davon 36.000 Flüchtlinge aus umliegenden Gebieten. Durch das Vordringen bosnisch-serbischer Truppen spitze sich die humanitäre Lage immer weiter zu. Die 350 anwesenden niederländischen UN-Soldaten waren nicht für eine militärische Verteidigung der Schutzzone ausgerüstete. Sie leisteten keine Gegenwehr als Srebrenica am 11. Juli 1995 von bosnisch-serbischen Truppen eingenommen wurde.

In Srebrenica brach Panik aus. 25.000 Menschen versuchten durch den Wald zu fliehen und wurden dabei von bosnisch-serbischen Truppen verfolgt und beschossen. In der Stadt verbliebene muslimische Jungen und Männer wurden von ihren Familien getrennt. Ca. 8000 von ihnen wurden daraufhin in einer Lagerhalle getötet. Der Internationale Gerichtshof erkannte dieses Massaker 2007 als Genozid an. Es gilt als das schlimmste Kriegsverbrechen in Europa nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Unter anderem der General der bosnisch-serbischen Truppen Ratko Mladić wurde wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Auch dem niederländischen Staat wurde von einem Zivilgericht in Den Haag ebenfalls eine Mitschuld am Tod von 300 Opfern zugesprochen.

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Darstellung

Die Rolle des Westens

Poster mit der Aufforderung:
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Urheber: Steven Blockmans

https://mobile.twitter.com/StevenBlockmans/status/997168825899585537/photo/1

PD

Poster mit der Aufforderung: "Europa, wach auf!"

Der Krieg in Bosnien und Herzegowina löste eine Krise der UN-Friedensmissionen aus. Vor allem die Ereignisse in Srebrenica, bei denen UN-Soldaten dem Genozid nur zuschauen und diesen nicht verhindern konnten, warf die Frage nach militärischer Durchsetzungsfähigkeit auf. 

Seitdem werden Friedensmissionen auch mit militärischen Mandaten ausgestattet. Während des militärischen Konflikts im Kosovo 1999 griffen NATO-Truppen deutlich schneller und intensiver in das Kriegsgeschehen ein. Dieses Eingriffen warf wiederum neue Fragen auf. War diese Art von Eingriff gerechtfertigt und angemessen? Welche Rolle kann und sollte die Internationale Gemeinschaft und westliche Militärbündnisse wie die NATO bei der Verhinderung humanitärer Katastrophen spielen? Wie können Genozide in Zukunft verhindert werden?

Wie hat Srebrenica die deutsche Politik verändert?

Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin zum Massaker von Srebrenica | Nachrichten
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Jürgen Trittin (Mitglied von Bündnis 90 - Die Grünen) zum Massaker von Srebrenica.
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Aufgabe

Srebrenica

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Jonathan Ventzke

Bosnische Flagge an Häuserwand.
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https://unsplash.com/photos/aNKduaaxWFU

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3. Der Vertrag von Dayton

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Der serbische Präsident Slobodan Milosevic, der bosnische Präsident Alija Izetbegovic und der kroatische Präsident Franjo Tudjman unterzeichnen das Abkommen von Dayton. Im Hintergrund stehen unter anderem der amerikanische Präsident Jacques Chirac und der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl.
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https://de.wikipedia.org/wiki/Abkommen_von_Dayton#/media/Datei:Slobodan_Milosevic,_Alija_Izetbegovic,_and_Franjo_Tudjman_sign_the_Balkan_Peace_Agreement_-_Flickr_-_The_Central_Intelligence_Agency.jpg

PD

Die offizielle Vertragsunterzeichnung in Paris am 14. Dezember 1995.

Nach 3,5 Jahren Krieg und ca. 100.000 Opfern wurde unter Vermittlung der USA und der Europäischen Union am 21. November 1995 in Dayton (Ohio) ein Friedensvertrag zwischen Bosnien und Herzegowina, Serbien und Kroatien geschlossen. Darin wurde Bosnien und Herzegowina als unabhängiger Staat in seinen Grenzen anerkannt und die Konfliktparteien einigten sich auf den Aufbau eines gemeinsamen Staatsapparates. Grundlegend setzte sich dieser aus zwei Entitäten zusammen: die mehrheitlich von bosnischen Kroaten und Bosniaken bewohnte Föderation von Bosnien-Herzegowina und die mehrheitlich serbische Republika Srpska.

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Darstellung

Was wurde in Dayton erreicht?

Der Vertrag garantierte allen vertriebenen Menschen die Rückkehr in ihre Heimat. Jedoch blieben Gegensätze und Anfeindungen zwischen den Ethnien erhalten, was viele Menschen von einer Rückkehr in ihre alte Heimat abhielt. Somit wurden mit der Bildung der Entitäten die 'ethnischen Säuberungen' des Krieges indirekt anerkannt. Diese andauernde Spaltung anhand ethnischer Gegensätze blockiert das politische System. Immer wieder kommt es zu politischen Spannung, Blockaden, oder Androhungen der Abspaltung.

Deutlich wird diese gesellschaftliche Spaltung bei der Aufarbeitung der Kriegserfahrungen. Die Stadt Srebrenica liegt im heutigen Gebiet der Republika Srpska. Und auch wenn sich dort nun eine Gedenkstätte befindet, erkennt die politische Führung der Republika Srpska das dort begangene Massaker offiziell nicht als Genozid an.

Jonathan Ventzke

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Quelle

Tagesschaubeitrag 1995

Tagesschau Beitrag zum Friedensvertrag von Dayton 1995.
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© Tagesschau

https://www.tagesschau.de/multimedia/video/jahresrueckblick/1995/video810304.html

Arrc
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Aufgabe

Resultat des Dayton Vertrags

Schaue dir den Tagesschau Beitrag von 1995 an.

1. Nenne die wichtigsten Folgen des Friedensabkommens von Dayton.

2. Bewerte das Friedensabkommen von Dayton. Wurde dadurch eine stabile Friedensordnung erzeugt? 

3. Findet euch in kleinen Gruppen zusammen und diskutiert die folgende Frage: "Warum ist das das Dayton-Abkommen bis heute wichtig?"

4. Sarajevo - eine gespaltene Stadt?

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Urheber: Digitale Lernwelten GmbH

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Auch in der Hauptstadt Sarajevo zeigt sich die Spaltung der bosnischen Gesellschaft. Während der Großteil von Sarajevo zum Gebiet der Föderation Bosnien und Herzegowina gehört, liegt ein südlicher Stadtteil in der Republika Srpska. Im Alltag bedeutet das unterschiedliche Produkte in den Supermärkten, fehlender Nahverkehr zwischen den Stadtteilen und unterschiedliche Flaggen - die offizielle Flagge Bosnien-Herzegowinas im Gebiet der Föderation und  die Entitätsflagge im Stadtteil der Republika Srpska. Aus den alten Frontverläufen sind heute unsichtbare Grenzen geworden.

Mit dem Dayton Abkommen wurde eine Friedensordnung geschaffen, in der die Gegensätze zwischen den Ethnien nicht überwunden werden konnten. Dennoch bleibt Sarajevo eine lebendige und vielfältige Stadt in der sich Menschen für eine gemeinsame Zukunft, jenseits ethnischer Konflikte, einsetzten.

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Darstellung

Das Historische Museum Bosnien und Herzegowina

In Sarajevo, der im Krieg fast 4 Jahre belagerten Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas, sind die Folgen des Krieges bis heute spürbar. Auch wenn die Frontverläufe und Panzer aus der Stadt verschwunden sind, verlaufen dort bis heute unsichtbare Grenzen. Diese ziehen sich auch durch die gesamtstaatlichen Institutionen. Das Historische Museum Bosnien und Herzegowina versucht mit seinen Ausstellungen einen Dialog zwischen den Ethnien zu fördern. Diese Aussöhnung wird jedoch teilweise von den Regierungsparteien abgelehnt, da die ethnische Zugehörigkeit nach wie vor die Grundlage ihrer politischen Macht bildet. Dementsprechend lehnen diese auch die Finanzierung gemeinsamer Institutionen wie des historischen Museums ab. Diese andauernden Konflikte, wirtschaftliche Probleme und die scheinbare Ausweglosigkeit des politischen Systems bewegen vor allem junge Menschen das Land zu verlassen.

Jonathan Ventzke

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Bosnien-Herzegowina: Neuer Krieg auf dem Balkan?
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© Mirko Drotschmann

https://www.youtube.com/watch?v=89jYKquWSOs

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5. Zusammenfassung: “ethnische Säuberungen” während der Balkankriege in den 1990er Jahren

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Jonathan Ventzke

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Aufgabe

Und jetzt?

Europäische Flagge in den Umrissen Bosnien und Herzegowinas.
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Urheber: Cradel

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bosnia_EU.svg#/media/File:Bosnia_EU.svg

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Eine Zukunft in der EU?

Bereits im Jahr 2000 wurde Bosnien und Herzegowina von der Europäischen Union als potenzieller Beitrittskandidat eingestuft. Erst 2016 erfolgte dann der offizielle Beitrittsantrag. Jedoch ist seitdem nicht viel passiert. 

Was bewegt gegenwärtig den Alltag in Sarajevo? Und wie könnte die Zukunft von Bosnien und Herzegowina aussehen?

Schaue dir dafür das Porträt von Norah Bianculli. Versuche auch das Wissen aus den vorherigen Kapiteln einzubringen.

Zu Hause bei Norah in Sarajevo, Bosnien und Herzegowina
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Porträt von Norah Bianculli.