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1.6 Die Balkankriege – Nationalismus und Imperialismus auf dem Weg in den Ersten Weltkrieg

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Urheber: Unknown author

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bulgarian_army_adrinople.jpg

PD

Bulgarische Truppen während des ersten Balkankrieges, 1912 

1.6 Die Balkankriege – Nationalismus und Imperialismus auf dem Weg in den Ersten Weltkrieg

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Der Balkan im Südosten von Europa galt und gilt als eine krisenanfällige Region, die ständig von Kämpfen, Attentaten und Kriegen erschüttert wird. Schon vor hundert Jahren glaubten viele, dass es auf dem Balkan 'nun mal so sei', dass die Menschen dort einfach regelmäßig aufeinander losgehen würden. Ich glaube, dass war falsch und ist falsch. Die Menschen auf dem Balkan haben genauso wenig Interesse daran, sich gegenseitig anzugreifen, wie die Menschen an anderen Orten. Dass es auf dem Balkan seit über hundert Jahren häufig zu Krisen und Kriegen kommt, liegt am Nationalismus und daran, dass Nationalismus auf dem Balkan noch schlechter funktioniert, als anderswo. Warum, das werde ich nun erklären.

1. Der Balkan

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Der Balkan ist eine Halbinsel in Südosteuropa. Heute umfasst diese Halbinsel die Staaten Griechenland, den europäischen Teil der Türkei, Albanien, Nordmazedonien, Bulgarien, Serbien, Montenegro, Kosovo, Bosnien-Herzegowina und Kroatien, manchmal werden auch Teile Rumäniens hinzugezählt. Seit Jahrhunderten wird auf dem Balkan Griechisch, Türkisch und Albanisch sowie slawische und romanische Sprachen gesprochen. Es gibt dort katholische und orthodoxe Christen, Juden und Muslime. Der Balkan wird also von einer sehr vielfältigen und seit Jahrhunderten durchmischten Bevölkerung bewohnt.

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The monastery of Saint Naum is located on the southeast side of Lake Ohrid, in Macedonia.
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Urheber: Stojan Toshe Nikolovski

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Church_of_Saint_Naum.JPG?uselang=de

Cc3BYSA

Eine der großen Religionsgruppen auf dem Balkan sind die orthodoxen Christen. Das Foto zeigt eine orthodoxe Kirche des Klosters Sveti Naum am Ohrid-See in Nordmazedonien.

Xhamia e Sinan Pashës (Prizren)
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Urheber: ShkelzenRexha

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Prizren_-_Xhamia_e_Sinan_Pash%C3%ABs.jpg?uselang=de

Cc4BYSA

Seit dem späten Mittelalter gibt es viele Muslime auf dem Balkan. Das Foto zeigt die Sinan-Pascha-Moschee in Prizren, Kosovo.

The islet Our Lady of the Rocks, just north of Kotor, Montenegro in the Bay of Kotor
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Urheber: Brian Dell

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kotor_area_Our_Lady_of_the_Rocks.JPG

PD

Es gibt auch eine große Gruppe katholischer Christen auf dem Balkan. Das Foto zeigt die katholische Kirche 'Gospa od Škrpjela' ('Maria auf dem Felsen') in der Bucht von Kotor, Montenegro.

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Aufgabe

Was heißt 'Brot' auf dem Balkan?

Unten ist das Wort 'Brot' in sieben verschiedenen auf dem Balkan gesprochenen Sprachen geschrieben: pâine, hleb, hljab, ekmek, psomí, kruh und bukë. Ziehe jedes dieser Wörter auf die Flagge der Sprache, die du für die richtige hältst.

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2. Ein Großreich zerfällt in Nationalstaaten

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Zu Beginn des 19. Jahrhunderts beherrschte das türkische Osmanische Reich fast die gesamte Balkanhalbinsel. 1913 beherrschte es nur noch einen kleinen Zipfel von ihr. Anstelle der Osmanischen Herrschaft waren verschiedene Nationalstaaten getreten: Griechenland, Serbien, Montenegro, Albanien und Bulgarien. Diese Staaten hatten zunächst ihre Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich erkämpft. Anfang des 20. Jahrhunderts machten sie sich dann daran, das schwach gewordenen Osmanische Reich endgültig vom Balkan zu vertreiben. 

Der Balkan von 1815 bis 1913

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3. Worum ging es bei den Balkankriegen?

Die Nationalstaaten wollen wachsen

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Die Kriegsakteure des ersten Balkankriegs waren Serbien, Montenegro, Griechenland und Bulgarien auf der einen Seite, das Osmanische Reich auf der anderen Seite. Da das Osmanische Reich militärisch schon stark geschwächt war, hatte es einem konzentrierten Angriff von vier Seiten wenig entgegenzusetzen. Der erste Balkankrieg 1912 verlief schnell und endete mit einer totalen Niederlage der Osmanen. Nun konnten die Sieger das eroberte Territorium unter sich aufteilen.
Aber da begannen die Probleme. Die Sieger begannen nämlich schnell, sich um die Beute zu streiten. 1913 griff Bulgarien Griechenland und Serbien an – der zweite Balkankrieg begann. In diesem verschoben sich die Grenzen wieder leicht, aber nicht wesentlich. An seinem Ende waren die verbündeten Staaten aus dem ersten Krieg untereinander verfeindet, ca. 500.000 Soldaten gestorben sowie zahllose Zivilisten tot, vertrieben und auf der Flucht.

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A propaganda poster of the Balkan League during the Balkan Wars.
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Urheber: Philly boy92

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Balkan_League_poster.png

PD

Alle gemeinsam gegen die Osmanen! Dieses Propagandaplakat von 1912 zeigt die Soldaten Bulgariens, Griechenlands, Montenegros und Serbiens (v.l.n.r.), die einen am Boden liegenden Drachen mit osmanisch-türkischem Turban bekämpfen.

Caricature of the Balkan Wars (1912-1913)
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Urheber: Alfred Schmidt (1858–1938)

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Alfred-schmidt-cartoon-the-turks-power-in-europe-is-shaken-by-his-balkan-neighbours.jpg

PD

Auch diese Karikatur von 1912 zeigt, wie die europäischen Staaten gemeinsam versuchen, den Osmanischen Sultan zu Fall zu bringen.

Caricature shows Albania defending itself from neighboring countries.
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Urheber: siehe Signatur

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Albanian_caricature_1913.gif

PD

Eine andere Perspektive: Diese albanische Karikatur von 1913 zeigt, wie Albanien (Frau in der Mitte) sich gegen die wilden Tiere Montenegro (Affe), Serbien (Schlange) und Griechenland (Tiger) wehrt.

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Info

Problem 1: Nationalismus und Grenzen

Wenn nationalistische Ideen politisch umgesetzt werden, stellt sich immer die Frage der Grenzen: Wo endet der Nationalstaat? Da Nationalisten für sich beanspruchen, eine bestimmte, nationale Gruppe zu vertreten – ein Volk – beanspruchen sie meist auch, dass ihr Nationalstaat alle Gebiete umfassen muss, auf denen Mitglieder dieser Gruppe leben. Das macht Nationalisten zu gefährlichen Nachbarn. Besonders dann, wenn auf dem Gebiet deines Staates oder Vielvölkerreichs Mitglieder der nationalen Gruppe deiner nationalistischen Nachbarn leben.  

In einer Region wie dem Balkan 1912, deren Bevölkerung religiös und sprachlich stark durchmischt war (und teilweise bis heute ist), konnten slawische, albanisch, türkische oder griechische Nationalisten auf sehr viele Regionen Anspruch erheben. Nahezu überall ließ sich eine slawische, albanische, türkische oder griechische Bevölkerungsgruppe finden, die diesen Anspruch 'untermauerte'.

Caricature shows Albania defending itself from neighboring countries.
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Urheber: siehe Signatur

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Albanian_caricature_1913.gif

PD

Diese albanische Karikatur von 1913 stellt das Problem gut dar: Albanien (die Frau in der Mitte), ein gerade erst gegründeter Nationalstaat, muss sich sofort gegen die wilden Tiere Montenegro (Affe), Serbien (Schlange) und Griechenland (Tiger) wehren, die das albanische Territorium gern untereinander aufteilen würden.

Lukas Epperlein

Die Großreiche wollen Einfluss

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Die Nationalstaaten waren nicht die einzigen Akteure  auf dem Balkan. Die europäischen Großreiche versuchten auch nach Kräften, die unsichere Lage auf dem Balkan zu ihrem Vorteil auszunutzen. Österreich-Ungarn ging dabei am direktesten vor. Es machte Bosnien-Herzegowina kurzerhand zu einem Teil des eigenen Reiches. Das russische Zarenreich holte sich nicht selber Teile des Balkans, aber ermutigte seine Verbündeten Serbien und Bulgarien, sich möglichst große Bereiche zu sichern. Griechenland wiederum wurde von Großbritannien und Frankreich unterstützt, die einen allzu großen Machtgewinn der Russen befürchteten. 

Die Kriege, die Anfang des 20. Jahrhunderts auf dem Balkan geführt wurden, waren also nicht nur Kriege zwischen den Balkanstaaten, sondern immer auch Kriege, in denen Großmächte (Imperien) Interessen vertraten und verschiedene Seiten unterstützten – imperialistische Kriege. 

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Darstellung

Die Interessen der Großmächte

Österreich-Ungarn: Österreich-Ungarn wollte sein eigenes Reich vergrößern. Deshalb annektierte es 1908 Bosnien-Herzegowina. Gleichzeitig befand sich Österreich-Ungarn im Streit mit Serbien und wollte keinesfalls, dass dieser Staat zu mächtig würde. Denn Serbien sah sich als Vertreter der Slawen, die im Süden Österreich-Ungarns lebten und unterstützte deren Forderungen nach Unabhängigkeit und Loslösung vom Reich. 

Russland: Russland wollte seit langer Zeit einen Hafen am Mittelmeer – für Handel und Kriegführung. Da man in Russland wusste, dass die anderen Großmächte eine russische Eroberung der Balkanhalbinsel nicht zulassen würden, versuchte man es über Verbündete: Bulgarien, Serbien, Montenegro und Griechenland schlossen sich auf Russlands Vorschlag und mit russischer Unterstützung zusammen, um im ersten Balkankrieg die Osmanen zu vertreiben. Russlands Ziel war, dass seine Verbündeten Hafenstädte an der Mittelmeerküste erobern und diese auch für russische Schiffe öffnen würden. 

Großbritannien: Die Briten wollten nicht, dass die Russen Zugang zum Mittelmeer bekämen. Sie sahen sich als die wichtigste Seemacht und wollten keine Konkurrenz durch russische Kriegsschiffe. Ein schwaches aber weiter herrschendes Osmanisches Reich war eher im Interesse der Briten. Als aber klar wurde, dass sich die Osmanen auf dem Balkan nicht würden halten können, suchten sich die Briten ihren eigenen Verbündeten: Griechenland. 

Lukas Epperlein

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Aufgabe

Wer war glücklich?

Lies dir die Interessenlage der Großmächte in der Darstellung oben genau durch. Erkläre dann für jede Großmacht, ob und warum sie mit dem Ausgang der 1. Balkankrieges (verbündete Staaten vertreiben die Osmanen) und des 2. Balkankrieges (verbündete Staaten zerstreiten sich) zufrieden waren.

Tipp: Sieh dir für deine Erklärung auch noch die Karten oben (Element 8) an, die die Grenzverläufe auf dem Balkan 1912 und 1913 zeigen.

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Info

Problem 2: Einfluss der Großmächte

Wenn sich eine Großmacht für dein Land interessiert, hast du ein Problem. Warum? Das Interesse einer Großmacht bedeutete im 19. Jahrhundert (und eigentlich auch heute noch), dass eine andere Großmacht versuchen wird, die Interessendurchsetzung zu verhindern. Das heißt, man hat einen Konflikt. Dieser Konflikt wird dann noch befeuert und eskaliert, da beide Großmächte sich anstrengen, ihren Willen durchzusetzen (sie werden dafür z.B. Politiker beeinflussen, Geld und Sicherheiten versprechen oder Waffen und Geld an militante Gruppen senden). Die Großmächte gehen dabei kein großes Risiko ein. Der Konflikt findet nicht auf ihrem Territorium statt, es sind nicht ihre Soldaten, die sterben und nicht ihre Wirtschaft und Zivilbevölkerung, die leidet.

Lukas Epperlein

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Illustration from the French magazine Le Petit Journal on the Bosnian Crisis
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Urheber: Unbekannt

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Le_Petit_Journal_Balkan_Crisis_(1908).jpg

PD

Diese Karikatur von 1908 zeigt, wie der österreichische Kaiser (rechts) und der von Russland unterstützte bulgarische König (mitte) große Teile aus dem Balkan reißen, während der osmanische Sultan (rechts) wütend aber hilflos zusieht.

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Urheber: Leonard Raven-Hill (1867–1942)

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Balkan_troubles1.jpg

PD

Eine andere Perspektive: Diese Karikatur von 1912 zeigt Vertreter der Großmächte Russland, Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Österreich-Ungarn, die verängstigt auf dem Deckel eines überkochenden Kessels namens 'Ärger auf dem Balkan' sitzen.

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Aufgabe

Karikaturenvergleich

  1. Die beiden Karikaturen in der Galerie: 'Krieg der Großmächte' haben eine unterschiedliche Aussage, was die Rolle der Großmächte auf dem Balkan angeht. Beschreibe beide Aussagen in eigenen Worten.
  2. Beurteile, welche der Karikaturen die Rolle der Großmächte auf dem Balkan zutreffender beschreibt.
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Pulverfass Europa - Die Konflikte im Balkan führen zum 1. Weltkrieg I VORGESCHICHTE WW1- Teil 2/3
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Das Video erklärt kurz den Verlauf der Balkankriege und ihre Verbindung zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914.

4. 'Bevölkerungsaustausch' – was sich hinter diesem Wort verbirgt

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Die Grenzverschiebungen auf der Karte, die durch die Balkankriege stattfanden, waren begleitet von massiven Bevölkerungsbewegungen. Viele Tausend Griechen, Bulgaren, Türken und Albaner verließen 1912/13 gezwungenermaßen ihre Heimat und mussten sich an anderen Orten niederlassen. Einige flohen vor heranrückenden feindlichen Truppen aber die meisten wurden nach vollzogener Eroberung von den neuen Machthabern vertrieben. Die Eroberer nutzten Vertreibungen und Massaker an der Zivilbevölkerung, um die Bevölkerung in ihren vergrößerten Staaten zu vereinheitlichen. Das alte Vielvölkergemisch des Balkans war den Nationalisten aller Staaten ein Dorn im Auge und sollte möglichst schnell durch einheitliche und durch Staatsgrenzen voneinander getrennte Völker ersetzt werden. 

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Turkish immigrants from Bulgaria (1912)
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Urheber: Unbekannt

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bulgaristan%27dan_g%C3%B6%C3%A7_eden_T%C3%BCrkler_(1912).jpg

PD

Das Foto zeigt bulgarische Türken auf der Flucht, 1912. Die oft schon seit Jahrhunderten auf dem Balkan lebenden Türken wurden während des ersten Balkankrieges fast vollständig vertrieben und flüchteten in die Türkei.

Bulgarian refugees from Bulgarkyoi (nowadays Elinohori, north-western Greece), expelled by the Ottoman forces, 1913.
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Urheber: Любомиръ Милетичъ (1863-1937)

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bulgarian_refugees_from_Bulgarkyoi_1913.jpg

PD

Auch die Osmanen vertrieben 'feindliche' Zivilisten. Als sie im zweiten Balkankrieg 1913 einen Teil des Balkans zurückeroberten, vertrieben sie die dort lebenden Bulgaren. Diese hatten dort ebenfalls schon Jahrhunderte friedlich unter osmanischer Herrschaft gelebt. Das Foto zeigt Flüchtlinge aus Bulgarkyoi (heute Ellinochori, Griechenland).

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Darstellung

Verbrechen an der Zivilbevölkerung

Der Einmarsch in die neu eroberten Gebiete und die damit einhergehenden Verbrechen lösten Fluchtbewegungen aus. Mit Billigung der jeweiligen Regierungen wurden jene Teile der Bevölkerung, die nicht in die nationalstaatlichen Strukturen passten, vertrieben. Allein im Kosovo sollen 20.000 Albaner getötet worden sein. Die türkischen Großgrundbesitzer wurden enteignet und das Land aufgeteilt, Moscheen der osmanischen Zeit zweckentfremdet und beseitigt, um so die kulturelle Prägung der Gebiete zu verändern. 

Besessen vom Ideal ethnisch-sprachlicher Uniformität betrieben die Staaten der Region in der Folgezeit eine Homogenisierungspolitik, die den westeuropäischen Nationalstaat zum Vorbild hatte. Ihr diente auch der in diesem Rahmen erste international sanktionierte Bevölkerungsaustausch. In der türkisch-bulgarischen Konvention von 1913 wurde die Umsiedlung von etwa 48.500 Türken und 46.500 Bulgaren aus einem 15 Kilometer breiten Grenzstreifen der beiden Staaten vereinbart. Wie bei späteren vergleichbaren Vorgängen handelte es sich auch hier lediglich um die formale Bestätigung von bereits durchgeführten Vertreibungen. 

Umsiedlung in der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts, in: Haus der Heimat des Landes Baden-Württemberg, Umsiedlung Flucht und Vertreibung der Deutschen als internationales Problem, Stuttgart 2005, S.10

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Darstellung

Der Kosovo – albanisch oder serbisch?

Der (oder das) Kosovo ist damals wie heute ein Gebiet, das Probleme bei der nationalen Zuordnung bereitet. Serbiens Nationalisten beanspruchen dieses Gebiet für sich. Sie argumentieren, dass der Kosovo das Zentrum des mittelalterlichen serbischen Königreichs war, dass hier – im Kloster von Peć – die Oberhäupter der serbischen Kirche ihren Sitz hatten und dass die Serben hier, auf dem Amselfeld 1389, ihre große Schlacht gegen die heranrückenden Osmanen geschlagen haben. 

Doch der Kosovo (und auch das übrige Serbien) wurde nach dieser Schlacht von den Osmanen erobert, viele der serbischen Einwohner flohen. Die neuen osmanischen Machthaber siedelten ihre eigene türkischen Landsleute hier an, aber vor allem auch Menschen aus dem benachbarten Albanien. In den folgenden Jahrhunderten entwickelte sich im Kosovo also ein Bevölkerungsgemisch aus serbisch-, türkisch- und albanisch-sprachigen Menschen, unter denen die albanisch-sprachige Gruppe die Mehrheit bildete. 

1912 eroberte Serbien im ersten Balkankrieg den Kosovo von den Osmanen zurück. Diese Eroberung verlief ziemlich brutal, mehrere Tausend albanische Zivilisten kamen dabei ums Leben. Nun wollten die Serben den Kosovo wieder zu einem zentralen Gebiet ihres jungen Nationalstaats machen. Die Türken wurden vertrieben, die Albaner unterdrückt. 

Dieses Grundproblem des Kosovos (eine größtenteils albanische Bevölkerung wird von einer serbischen Regierung unterdrückt) bestand auch noch über 80 Jahre später. Im Kosovokrieg (1998/99) kämpften serbische Truppen gegen albanische Kämpfer. Die Albaner, die von den USA und der NATO unterstützt wurden, gewannen, vertrieben wiederum einen Großteil der serbischen Bevölkerung und der Kosovo ist heute ein unabhängiger Staat. 

Der Kosovo-Konflikt: Weshalb er bis heute nicht gelöst ist
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Das Video zeigt die Geschichte des Kosovo-Konflikts bis heute.

Lukas Epperlein

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Aufgabe

Wem gehört der Kosovo?

  1. Erkläre die Argumentation, warum der Kosovo zu Serbien bzw. zu Albanien gehören sollte, in eigenen Worten.
  2. Welche dieser Begründungen ist nationalistisch? Begründe deine Antwort.
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Info

Problem 3: Nationalismus und Bevölkerung

In der Theorie klingt es ja gut: Da ist ein Volk, also eine Gruppe von Menschen die durch Sprache, Geschichte, Vergangenheit, etc. miteinander verbunden sind. Und dieses Volk bekommt einen eigenen Staat, in dem es als Nation seine eigenen Angelegenheiten regeln kann. 

In der Praxis ist es aber so: Staatsvölker sind Erfindungen. Es gibt sie nicht, bevor man sie macht. Man muss den Leuten erst beibringen, dass sie einem Volk angehören. Und wer stört einen dabei? All die Leute, die eine andere Sprache sprechen, andere geschichtliche Ereignisse erinnern, andere Lieder singen, ihre Hochzeiten anders feiern. 

Jeder, der die von den Nationalisten behauptete Einheit der Bevölkerung in Frage stellt, ist ein Problem für die Nationalisten und muss deshalb bekämpft werden. Im besten Fall wird er oder sie 'umerzogen', soll eine neue Sprache sprechen und andere Lieder singen. Im schlimmeren Fall wird er oder sie fortgejagt, vertrieben oder gleich getötet.

Lukas Epperlein

Zusammenfassung: Die Probleme des Balkans

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