Der Inhalt wird nicht schön dargestellt? Bitte aktivieren sie JavaScript und nutzen Sie einen aktuellen Browser und alles wird toll aussehen und funktionieren. Versprochen.🤞

4.1 Umsiedlung, Flucht, Vertreibung – wovon reden wir eigentlich?

§

Urheber: Foto: Bundesarchiv, Bild 146-1985-021-09 / Autor/-in unbekannt / CC-BY-SA 3.0

https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Bundesarchiv_Bild_146-1985-021-09,_Fl%C3%BCchtlinge.jpg

Cc3BYSA

Fliehen diese Menschen, werden sie vertrieben oder umgesiedelt?

4.1 Umsiedlung, Flucht, Vertreibung – wovon reden wir eigentlich?

1

Europa im 20. Jahrhundert war geprägt von Kriegen, territorialen Neuordnungen und Umsiedlungen. In den folgenden Kapiteln lernst du mehr über die Vertreibung der Deutschen nach dem 2. Weltkrieg. In diesem Kapitel beschäftigen wir uns aber zuerst mit Begriffen. Wovon sprechen wir eigentlich, wenn wir von Umsiedlung, Flucht und Vertreibung reden? 

1. Vertreibung ist etwas Besonderes

2

Wir sprechen heute von Migration, wenn sich Menschen von einem Ort zu einem anderen bewegen, um dort für längere Zeit zu leben. Migration geschieht ständig und überall, sie geschieht oft unter sehr unterschiedlichen Bedingungen, Voraussetzungen und Motiven der Migranten. Um genauer zu erklären, unter welchen Bedingungen eine bestimmte Migration stattfindet, gibt es eine Reihe von Unterbegriffen: Arbeitsmigration, Flucht, Umsiedlung oder eben auch Vertreibung. Bei all diesen Beispielen handelt es sich um Migration, aber eben um Migration unter sehr speziellen und von einander abgrenzbaren Bedingungen.

3

Aufgabe

Definition: Flucht, Umsiedlung, Vertreibung

Versuche dich zu Beginn an einer eigenen Definition zu den drei Begriffen 

  • Flucht
  • Umsiedlung 
  • Vertreibung. 

Erkläre in eigenen Worten, was du unter jedem der drei Begriffe verstehst und wie du sie voneinander unterscheiden würdest.

2. Migrationsbeispiele

4

Beispielgeschichte

Djamal (7)

"An einem Dienstagmorgen schlug eine Bombe in unserem Haus ein und alles explodierte. Ich hatte fürchterliche Angst. Alles was wir hatten war weg. Uns blieb nichts. Meine Eltern flohen mit mir und meiner Schwester in den Libanon. Wir hatten kein Geld, wir konnten uns nichts zu essen kaufen, also lebten wir auf der Straße. Wir bettelten und durchsuchten die Mülleimer, um etwas zu essen zu haben. Das war eine sehr schlimme Zeit für uns alle. Heute geht es uns aber besser. Mein Vater ist gerade auf der Suche nach einer Arbeit. In meinem Heimatland Syrien gibt es immer noch Krieg. Wenn ich daran denke, bin ich sehr traurig und es bricht mir das Herz. Wenn ich groß bin, möchte ich Arzt werden und den Menschen helfen."

Die Situationen sind alle fiktiv, aber inspiriert von und angelehnt an wahre Geschichten.

5

Beispielgeschichte

Ilse (90)

"Das Jahr 1945 war schrecklich, ich kann mich noch zu gut daran erinnern. Meine Heimat Schlesien erlitt viel Leid und großes Elend. Tausende Flüchtlinge zogen tagtäglich durch unser Dorf. Alle halfen, so gut es ging. Die Menschen waren verzweifelt. Aber bald waren auch wir an der Reihe. Ich kann mich noch ganz genau an den Tag erinnern. Am 9. Februar 1945 war es soweit: Wir packten das Nötigste zusammen, denn mehr durften und konnten wir nicht mitnehmen. Die Läden machten dicht, wir mussten weg. Die Wagen für den Treck waren bereit. Mein Bruder und ich zogen den kleinen Handwagen. Es war sehr anstrengend, eisig kalt und im Schnee verloren wir oft das Gleichgewicht. Ich stürzte sehr oft und spürte meine Zehen nicht mehr. Aber wir konnten nicht aufgeben. Papa mussten wir zurücklassen, denn er musste im Dorf bleiben und es mit den anderen Männern verteidigen. Ich war sehr traurig. Wir kamen nur sehr langsam voran. Waren es Stunden oder Tage? Endlich erreichten wir unser Ziel."

Die Situationen sind alle fiktiv, aber inspiriert von und angelehnt an wahre Geschichten.

6

Beispielgeschichte

Martin (50)

"Unseren ehemaligen Wohnort mussten wir aufgrund des Braunkohle-Tagebaus verlassen. Wir wurden in das neu entstandene Dorf umgesiedelt, das liegt nur einige Kilometer vom alten entfernt. Einige haben sich dafür entschieden, woanders hinzuziehen. Familie Sommer, zum Beispiel, denn die hatten keine Familie hier. Andere haben sich mit der Entschädigung, die wir bekommen hatten, im neuen Ort niedergelassen. Für mich und meine Frau war es sofort klar: Woanders hinziehen wäre für uns keine Option gewesen, denn wir sind beide hier aufgewachsen. Nun leben wir im neuen Lansing und fühlen uns hier sehr wohl."

Die Situationen sind alle fiktiv, aber inspiriert von und angelehnt an wahre Geschichten.

7

Beispielgeschichte

Dajana (37)

"Ich stamme aus einem kleinen Ort in Mazedonien. Mit 25 traf ich die Entscheidung, mit meiner Tante nach München zu gehen. Über meine Cousine bekam ich schließlich eine Arbeitsstelle als Reinigungskraft in einer Firma in der Nähe von München. Auch mein Bruder entschied sich, Mazedonien zu verlassen und arbeitete in Salzburg als Tischler. Ich zog daraufhin ebenfalls nach Salzburg und lebe seitdem mit meinem Verlobten in einer Genossenschaftswohnung. Mittlerweile bin ich seit 12 Jahren als Reinigungskraft tätig und überglücklich, diese Entscheidung getroffen zu haben."

Die Situationen sind alle fiktiv, aber inspiriert von und angelehnt an wahre Geschichten.

8

Aufgabe

Zuordnung

  1. Lies dir die vier Beispielgeschichten durch und ordne anschließend zu, um welche Form der Migration (Flucht, Vertreibung, Umsiedlung oder Arbeitsmigration) es sich handelt.
  2. "Jede Vertreibung ist eine Migration, aber nicht jede Migration ist eine Vertreibung". Erkläre diesen Satz in eigenen Worten.
§

Anmerkung: Ich habe für die Grafik unterschiedliche Bilder verwendet, war mir nicht sicher, wie ich das beim Copyright richtig angeben:

Links oben: von Pixabay, kein Bildnachweis nötig / Rechts oben: https://commons.wikimedia.org/...

Links unten: von Piera / Rechts unten: https://commons.wikimedia.org/...

3. Unterschiede

9
Flucht und Vertreibung aus Schlesien
§
Die Zeitzeugin Marianne Stiebitz berichtet von ihrer Vertreibung.
10

Aufgabe

Diskussion in Kleingruppen

Seht euch zuerst das Video in Element 9 an und bearbeitet anschließend die drei Aufgaben.

  1. Beschreibt die Situation der Zeitzeugin Marianne Stiebitz (03:17-03:50). 
    1. Als was bezeichnet sie sich selbst?
    2. Wovon grenzt sie sich ab?
    3. Welche Bedeutung hat ihre Selbstbezeichnung für sie?
  2. Diskutiert die Problematik des Begriffes 'Umsiedlung' in Bezug auf das Video.
11

Merkkasten

Umsiedlung und Vertreibung

Migration

Menschen bewegen sich von einem Ort zu einem anderen, um dort für längere Zeit zu leben. Alle folgenden Fälle sind Spezialfälle der Migration.

Arbeitsmigration

Menschen verlassen ihren Herkunftsort, um an einem anderen Ort einer Arbeit nachgehen zu können. Am Herkunftsort ist oft keine, oder nur schlecht bezahlte Arbeit vorhanden. 

Flucht

Menschen verlassen ihren Herkunftsort, weil sie dort von akuter Gefahr bedroht werden.

Umsiedlung

Eine größere Menschengruppe zieht an einen anderen Ort, um dort dauerhaft zu leben. Dies kann unter Zwang oder freiwillig geschehen. 

Vertreibung

Eine größere Menschengruppe wird mit Gewalt oder deren Androhung gezwungen, ihren Herkunftsort zu verlassen. 

12

Wenn wir uns nun näher mit den Begriffen beschäftigen, stoßen wir aber bald auf eine Problematik. Die Begriffs-Definitionen, die wir in Element 11 genannt haben, sind zwar in der Theorie korrekt, aber in der Realität ist es oft etwas komplizierter. Die verschiedenen Migrationsformen können miteinander verschwimmen. Ein Mensch kann gleichzeitig Flüchtling und Arbeitsmigrant sein.

Die folgenden Kapitel werden vor allem von Umsiedlung, Vertreibung und Flucht handeln. Denn all dies geschah in den deutschen Ostgebieten am und nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Viele Menschen flohen vor der heranrückenden Roten Armee. Andere blieben und wurden von den eintreffenden Soldaten vertrieben. Wiederum Andere überstanden das Kriegsende abseits der Fronten und wurden dann von staatlichen Stellen um- oder ausgesiedelt, wobei dies oft den Charakter von Vertreibungen hatte. 

Zusammenfassung: Umsiedlung, Flucht, Vertreibung

13