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9.1 "Nie wieder!" und was daraus folgte

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Urheber: Foto: I, Pyramid

https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Srebrenica#/media/Datei:Srebrenica2007.jpg

Cc3BYSA

Opfer des Massakers von Srebrenica 1995

9.1 "Nie wieder!" und was daraus folgte

1

Immer wieder gibt es Flucht und Vertreibung – auch in der Gegenwart. Immer wieder geschehen "ethnische SĂ€uberungen", dabei werden Menschen umgebracht, gequĂ€lt oder verjagt. Nach dem vielen Leid, dass der letzte Weltkrieg verursacht hat, verwundert mich das immer wieder. Warum sind Menschen scheinbar nicht davon abzubringen, anderen immer wieder sehr viel Leid anzutun?

1. Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg: Sicherung der Rechte von Menschen

2

Nach den Verbrechen des Zweiten Weltkrieges bekannten sich viele Menschen weltweit dazu, dass es ein solches Grauen, mit all den Opfern, mit Vertreibungen und Morden nie wieder geben dĂŒrfe.

3
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Urheber: GuentherZ

https://de.wikipedia.org/wiki/Recht_auf_Heimat#/media/Datei:GuentherZ_2005-06-25_2116_Unterretzbach_Heimatdenkmal.jpg

Cc3BYSA

Heimatrecht ist Menschenrecht: Denkmal fĂŒr die Vertriebenen aus dem Sudentenland ("SĂŒdmĂ€hrer"). Das Denkmal befindet sich in Österreich (Unterretzbach)

4

Quelle: Genfer FlĂŒchtlingskonvention 1954

Was ist ein FlĂŒchtling und wie sollte mit FlĂŒchtlingen umgegangen werden?

Art. 1:
Im Sinne dieses Abkommens findet der Ausdruck “FlĂŒchtling” auf jede Person Anwendung [...], die infolge von Ereignissen, die [...] aus der begrĂŒndeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, NationalitĂ€t, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser BefĂŒrchtungen nicht in Anspruch nehmen will [...].

Art. 33:
Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen FlĂŒchtling auf irgendeine Weise ĂŒber die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurĂŒckweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein wĂŒrde.

5

Quelle: Allgemeine ErklÀrung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen (1948)

Darf jemand des Landes verwiesen werden?

Artikel 3
Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.

Artikel 5
Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung
oder Strafe unterworfen werden.

Artikel 6
Jeder hat das Recht, ĂŒberall als rechtsfĂ€hig anerkannt zu werden.

Artikel 9
Niemand darf willkĂŒrlich festgenommen, in Haft gehalten oder des Landes verwiesen
werden.

Artikel 17
1. Jeder hat das Recht, sowohl allein als auch in Gemeinschaft mit anderen Eigentum innezuhaben.
2. Niemand darf willkĂŒrlich seines Eigentums beraubt werden.

6

Quelle: Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (1949)

Darf man Menschen enteignen und ihnen die StaatsbĂŒrgerschaft entziehen?

Art 13
(1) Die Wohnung ist unverletzlich. [...]

Art 14
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewÀhrleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. [...]

Art 16
(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.
(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Durch Gesetz kann eine abweichende Regelung fĂŒr Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der EuropĂ€ischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche GrundsĂ€tze gewahrt sind.

Grundgesetz fĂŒr die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 u. 2 Satz 2 des Gesetzes vom 29. September 2020 (BGBl. I S. 2048) geĂ€ndert worden ist (https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html [10.1.2022]).

7

Aufgabe

Die in den KÀsten 3-5 dargestellten Gesetze und Bestimmungen sind Reaktionen auf die Schrecken des Zweiten Weltkriegs. WÀhle einen der KÀsten aus und

  • beschreibe seinen Inhalt in eigenen Worten.
  • suche zwei wĂ€hrend oder nach Ende des Zweiten Weltkriegs begangene Taten, die nach Inhalt deines Kastens als verbrecherisch definiert wurden und zu bestrafen gewesen wĂ€ren.

2. "Nie wieder Krieg!" Und doch passiert es immer wieder ...

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Denkmal fĂŒr die Gefallenen des 1. Weltkrieges in Rozumice (Rösnitz) , Wojewodschaft Opole. Inschrift:
§

Urheber: Ralf Lotys

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:2012-04_Rozumice_06.jpg

Cc3BYSA

Denkmal fĂŒr die Gefallenen des 1. Weltkrieges in Rozumice (Rösnitz) , Wojewodschaft Opole.
Inschrift: "Nigdy więcej wojny - Nie wieder Krieg - 2002"

Viele Menschen aus der Generation, die den Ersten und Zweiten Weltkrieg erlebt hatten, traten nach 1945 fĂŒr die Friedenserhaltung ein. Im Laufe der Zeit entstanden aber wieder neue Konflikte und auch sie wurden wieder mit Gewalt ausgetragen. Dabei gerĂ€t auch wieder die Zivilbevölkerung ins Visier, Menschen wurden und werden wieder aus ihrer Heimat vertrieben oder kollektiv umgebracht. Der mit allen grausamen Mitteln gegen die Zivilbevölkerung gefĂŒhrte Krieg Russlands in der Ukraine, der im Jahr 2022 begann, ist dafĂŒr ein trauriges Beispiel. Menschen werden aus StĂ€dten zwangsumgesiedelt oder willkĂŒrlich beschossen.

Neue Konflikte und neue Kriege

9
§ PD

Radovan KaradĆŸić (*1945) war als sogenannter "SerbenfĂŒhrer" dafĂŒr verantwortlich, dass wĂ€hrend des Kriegs in Bosnien-Herzegowina Tausende Menschen von serbisch-nationalistischen KĂ€mpfern vertrieben und umgebracht wurden. Er versteckte sich nach dem Krieg, wurde 2008 verhaftet und u.a. wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Er verbĂŒĂŸt heute seine GefĂ€ngnisstrafe in Großbritannien.

Neue Kriege entstanden in Europa vor allem im östlichen Tiel des Kontinents (Jugoslawien, Ukraine, Georgien). Das erschĂŒttert viele Menschen in Europa und darĂŒber hinaus sehr. Nach dem friedlichen Ende des Ost-West-Konflikts, dem Fall der undurchdringlichen Grenzen zwischen Ost und West und der Demokratisierung in den LĂ€ndern des östlichen Europas dachten viele Menschen, dass nun das Zeitalter eines in Frieden, Freiheit, Demokratie und Wohlstand vereinigten Europas beginnen wĂŒrde. Das war leider nicht so. MachtansprĂŒche alter und neuer Diktatoren und ihrer UnterstĂŒtzer fĂŒhrten zu neuen Kriegen.

3. "Ethnische SĂ€uberung": Was ist das eigentlich und wie hĂ€ngt es mit den Überzeugungen von Menschen zusammen?

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Urheber: Dozetdarko

https://en.wikipedia.org/wiki/Kosovo_War#/media/File:Kosovo-metohija-koreni-duse004.jpg

Cc3BYSA

FlĂŒchtlinge im Kosovo-Krieg 1999: Viele FlĂŒchtlinge der Jugoslawien-Kriege konnten nie wieder in ihre Heimat, in ihre Dörfer und HĂ€user zurĂŒckkehren

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Merkkasten: Was ist eine "ethnische SĂ€uberung"?

Definition

Ethnische SÀuberung, das klingt so technisch und irgendwie auch gar nicht so schlimm, oder?  Mit diesem Begriff werden aber Verbrechen bezeichnet. Er bedeutet, dass Gruppen von Menschen wegen ihrer Abstammung, Religion, ihrer Sprache, Lebensweise, Hautfarbe oder auch politischen Einstellung aus ihrer Heimat gequÀlt, vertrieben oder umgebracht werden.

Merkst du etwas? Diese Kennzeichen haben wir in den ersten Kapiteln auch im Zusammenhang mit dem Begriff der Nation diskutiert. Oft werden Menschen dazu aufgehetzt, fĂŒr die Nation zu kĂ€mpfen, indem sie Gruppen anderer Menschen, die angeblich nicht dazugehören, verfolgen oder umbringen.

Marcus Ventzke, Digitale Lernwelten GmbH

Jugoslawien

12
§ PD

Haus in der NĂ€he der Stadt Brčko im Norden Norden von Bosnien und Herzegowina, das von serbischen Milizen wĂ€hrend des Kriegs in Jugoslawien zerstört wurde. In dem Haus hatten zuvor Menschen muslimischen Glaubens gelebt. In vielen Dörfern und StĂ€dten wurden die Bewohner aus ihren HĂ€usern vertrieben und umgebracht.

In den Jugoslawien-Kriegen der 1990er Jahre wurden Hunderttausende Menschen aus ihrer Heimat vertrieben: (Christliche-orthodoxe) serbische MilitÀreinheiten verfolgten (muslimische) Bosnier und (christliche katholische) Kroaten oder Herzegowiner. (Christliche katholische) Kroaten vertrieben Bosnier und Serben. Serben verfolgten albanischstÀmmige Kosovaren. 

Ruanda

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§

https://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkermord_in_Ruanda#/media/Datei:Rwandan_refugee_camp_in_east_Zaire.jpg

PD

FlĂŒchtlingslager im Osten des Kongo, des Nachbarlandes von Ruanda (1994)

Im Jahr 1994 ereignete sich ein besonders furchtbarer Völkermord im afrikanischen Land Ruanda. In wenigen Wochen wurden dort etwa 1.000.000 Menschen des Volks der Tutsi von Angehörigen der Bevölkerungsmehrheit der Hutu umgebracht. Damit wurden etwa 75% der Tutsi in Ruanda umgebracht. Der Massenmord war der Höhepunkt einer Reihe von Auseinandersetzungen zwischen der von Hutus bestimmten Regierung und einer von Tutsis gefĂŒhrten Rebellenbewegung. 

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Urheber: I, Inisheer

https://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkermord_in_Ruanda#/media/Datei:Nyamata_Memorial_Site_13.jpg

Cc3BYSA

SchÀdel von Opfern des Völkermordes in Ruanda in der GedenkstÀtte von Nyamata (2007)

Am Mord in Ruanda beteiligten sich jedoch nicht nur Regierungssoldaten, Polizisten und Staatsangestellte, sondern auch große Teile der Hutu-Bevölkerung. Jedoch wurden auch viele Hutus, die sich gegen die Gewalt aussprachen, ermordet und die Rebellenarmee der Tutsi RPF war nach ihrem erfolgreichen Vormarsch ebenfalls fĂŒr Zehntausende Opfer verantwortlich.
Der Massenmord löste eine große FlĂŒchtlingswelle aus: Es flohen schĂ€tzungsweise mehr als zwei Millionen Menschen aus Ruanda in die NachbarlĂ€nder und lebten dort unter elenden UmstĂ€nden. Viele von ihnen konnten nie in ihre Heimat zurĂŒckkehren.

Myanmar

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Urheber: Zlatica Hoke

https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Rohingya_refugees,_2016%E2%80%93?uselang=de#/media/File:Rohingya_refugees_entering_Bangladesh_after_being_driven_out_of_Myanmar,_2017.JPG

PD

Rohingya-FlĂŒchtlinge auf dem Wege nach Bangladesh (2017).

Im asiatischen Land Myanmar hat sich erst in den letzten Jahren ein Völkermord ereignet. Das Volk der Rohingya bildet in Myanmar eine Minderheit. Sie sind muslimischen Glaubens. Die Mehrheit der Menschen in Myanmar sind hingegen Buddhisten. Die Rohingya werden in Myanmar schon sehr lange ausgegrenzt, zum Beispiel haben sie keinen Anspruch auf die StaatsbĂŒrgerschaft des Landes. Immer wieder gab es in der Vergangenheit auch Verfolgungen und Vertreibungen. 
Im Jahr 1978 flohen etwa 200.000 Rohingyas ins benachbarte Bangladesch. 1991 waren es 250.000. Seit 2017 eskaliert der Konflikt zwischen der Regierung und den Rohingya erneut. Über 600.000 Menschen mussten vor der Armee fliehen. Und allein zwischen August und September 2017 sollen mindestens 6700 Rohingya getötet worden sein. Durch den Konflikt leiden Menschen auf allen Seiten: Buddhisten flohen vor islamistischen KĂ€mpfern der Rohingyas oder wurden evakuiert, wĂ€hrend FlĂŒchtlinge der Rohingyas aus dem Land flohen, zum Beispiel nach Bangladesch.

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Aufgabe

Definiere anhand eines der oben dargestellten Konflikte den Begriff "ethnische SÀuberung" und erklÀre, wie dieses verbrecherische Konzept in besagten Konflikt umgesetzt wurde. 

17

Aufgabe

  1. Such in den KĂ€sten 3-5 oben nach Artikeln, die die DurchfĂŒhrung "ethnischer SĂ€uberungen" verbieten.
  2. Finde GrĂŒnde dafĂŒr, dass diese Artikel die tatsĂ€chliche DurchfĂŒhrung "ethnischer SĂ€uberungen" nicht verhindern konnten.

Zusammenfassung: Nie wieder und was daraus folgte

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